Sie leben Effizienz

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Zwischen Spitzensport, Studium und Unternehmertum: Die Tätigkeitsfelder zahlreicher Sporthilfegeförderter Athlet:innen gehen weit über Trainingseinheiten und Wettkämpfe hinaus. Dieses Mal im Schlaglicht: Drei Beispiele von vier Athletinnen, die in ihrer Sportart ganz besondere und vielseitige Herausforderungen meistern.


Laura Nolte

Jüngste Bob-Olympiasiegerin der Geschichte, mehrfache Welt- und Europameisterin und Siegerin des Gesamtweltcups im Zweierbob: Die Liste der Erfolge von Laura Nolte ist lang und bestens bekannt. Dass sich das Tätigkeitsfeld der Athletin aber nicht nur im Eiskanal und in der Trainingshalle abspielt, sondern speziell auch vor dem Laptop, weniger. Denn als Bobpilotin ist sie nicht nur Athletin. Sie ist Organisationstalent, Bachelor-Absolventin und Geschäftsführerin ihrer eigenen GmbH in Personalunion.

Gerade hat die 26-Jährige einen frischen Sponsoren-Deal verkündet. Ein neues Logo ziert künftig ihren gelben Deutschland-Bob, wenn sie sich in den Eiskanal stürzt. „Das bedeutet, ich muss neue Sticker anfertigen lassen, die wir dann auf dem Bob, unserem Kragen und auf den Mützen platzieren. Das messe ich aus, mache einen Designvorschlag, gebe diesen an die Agentur weiter und stehe für Rückfragen zur Verfügung. Da steht auch das E-Mail-Postfach nie still.“ Als Teamchefin und Geschäftsführerin wickelt sie Sponsorenverträge ab, beschäftigt und bezahlt ihre Anschieberinnen, organisiert Reisen und Unterkünfte, auch Materialbestellungen und -kosten laufen über ihre GmbH, ohne die es „zu unübersichtlich“ wurde.

Angestellte hat Laura Nolte dabei nicht. Lediglich eine Agentur, die sie seit ihrem Olympiasieg in Peking 2022 bei der Sponsorenakquise und bei Medienanfragen unterstützt. „Vorher habe ich mich darum selbst gekümmert, aber mit dem Olympiasieg wurde das einfach zu viel.“ Und dennoch: Mit teils zwei Bob- und einer Athletik sowie entsprechenden Physioeinheiten ist der Tageszeitplan während der Saison prall gefüllt. „Da bleibt wenig Zeit für organisatorische Dinge am Laptop, Steuern und Papierkram. Dafür nutze ich dann komplett meinen freien Tag.”

Im vergangenen Sommer schrieb sie zusätzlich an ihrer Bachelorarbeit. „Die letzten Züge der Arbeit habe ich sogar beim Sporthilfe Club der Besten in der Türkei erledigt“, sagt sie mit einem Grinsen. Anfang November erhielt sie ihr Bachelorzeugnis und ist nun studierte Wirtschaftspsychologin. „Ich bin super happy, dass dieses Kapitel jetzt geschafft ist. In den letzten Jahren lag der Fokus klar auf dem Sport und die Uni hatte nicht die höchste Priorität.“

Ohne die Sporthilfe sei ihre Karriere insbesondere in den Anfängen nicht möglich gewesen. „Das ist genau die Unterstützung, die man als junger Athlet braucht, um erstmal Fuß zu fassen. Das war die wichtigste Einnahmequelle und ist es neben der Bundeswehr bis heute.“ Denn speziell der Bobsport ist teuer. 

„Die Sporthilfe-Förderung hat es mir ermöglicht, meine ersten Kufen selbst zu kaufen. Das war extrem viel wert.“ 

Foto: Niklas Barnert

Heute nutzt sie vor allem das Netzwerk und weitere Angebote: „Für mich als Unternehmerin sind zum Beispiel die Steuerseminare enorm hilfreich. Als Leistungssportler ist man immer ein Sonderfall, da kennt sich auch nicht jeder Steuerberater aus.“ 


Karla Borger & Marie Schieder

Rückkehr aus Rio de Janeiro, zwei Tage Deutschland und weiter nach Indien: Keine Seltenheit im Leben der besten deutschen Beachvolleyballerinnen. Dazu gehören Marie Schieder und Karla Borger, die künftig als neu zusammengestelltes Team gemeinsam um die Welt jetten. Während Marie mit ihren 23 Jahren noch am Anfang ihrer Spitzensportkarriere steht, hat Karla schon einiges gesehen. 2005 wurde sie in die Sporthilfe-Förderung aufgenommen, nahm seither – mit verschiedenen Partnerinnen – an zwei Olympischen Spielen teil, wurde 2013 WM-Zweite und mehrfache Deutsche Meisterin.

Die neue Konstellation mit Marie ist für die 35-Jährige eine neue Herausforderung. „Wir harmonieren als Team wunderbar miteinander und möchten den größtmöglichen Erfolg. Im Miteinander versuche ich, meine Erfahrung an Marie weiterzugeben und finde es schön zu sehen, wie sie alles aufsaugt – auf Turnieren, die sie noch nicht gespielt hat, oder an Orten, die sie noch nicht kennt“, sagt Karla. So wie zuletzt in Rio de Janeiro. „Für Marie war das besonders, zum ersten Mal in Ipanema oder an der Copacabana zu spielen und zu trainieren.“ Marie selbst ist bislang meist in Deutschland oder Europa unterwegs gewesen: „Es ist toll, so viel von der Welt sehen zu können. So viele neue Kulturen und Bedingungen in so kurzer Zeit kennenzulernen, empfinde ich als Privileg.“

Foto: German Beach Tour / Kevin Mattig

Die vielen Reisen müssen von den Athletinnen minuziös geplant und getimt werden und das selbstständig. Das sind zusätzliche Strapazen – neben den eigentlichen Aufgaben von Spitzensportathlet:innen. Gerade vor den Spielen in Paris sei dies enorm gewesen: „Anfang 2024 habe ich in sieben Wochen sechs Turniere auf drei Kontinenten gespielt. Das war schon sehr kräftezehrend“, blickt Karla zurück. Nach der knapp verpassten Olympia-Qualifikation habe sie sich erstmal ausgeklinkt, um aufzutanken. „Jetzt stachelt es mich total an, dass Marie so motiviert ist.“ Die bestätigt: 

„Wir haben schnell gemerkt, dass es zwischen uns passt. Wir wollen auf dem Court immer das Maximale herausholen, aber dabei den Spaß nicht aus den Augen verlieren.“

Gerade letzteres sei durch die vielen Termine und den manchmal „stumpfen Tagesrhythmus“ wichtig. Zwischen Flügen, Training, Turnieren und Organisatorischem gibt es kaum Pausen. Hinzu kommt bei Karla ihr Engagement beim Verein „Athleten Deutschland“, bei dem sie seit Herbst 2021 als Präsidentin fungiert. „Da wird jeder freie Zeitslot genutzt – für Interviews, telefonische Absprachen und alles, was sonst anfällt.“ Und auch bei Marie wird es nicht „langweilig“, sie studiert parallel zum Sport Pädagogik – als Fernstudium, denn in Präsenz ist es bei den vielen Reisen nicht möglich.

Beide profitieren, angepasst auf ihre Lebenssituation, von der Förderung der Sporthilfe. „In der Vergangenheit wurde ich individuell und temporär finanziell von der Sporthilfe unterstützt“, so Marie, die 2019 in die Förderung aufgenommen worden ist, „ab 2025 werde ich hoffentlich regelmäßig von der neu eingeführten Grundförderung für Nachwuchsathlet:innen profitieren.“ Vor allem für jüngere Athletinnen sei die finanzielle Unterstützung besonders wertvoll, während Karla in der fortgeschrittenen Karrierephase auch die darüberhinausgehenden Förderprogramme schätzt. „Es gibt viele kostbare Formate – beispielsweise den ‚Sporthilfe-Matchplan‘, mit dem ich mich gerade auf die Zeit nach der Leistungssportkarriere vorbereite.“ Ob auf dem Court oder daneben: Es bleibt spannend im Leben von Karla und Marie.


Regine Mispelkamp

Bereits vor 7 Uhr am Morgen sitzt Regine Mispelkamp fest im Sattel. Bis zum Mittag reitet sie verschiedene Pferde und bildet sie aus, darunter mit „Highlander Delight’s“ auch das Pferd, mit dem sie bei den Paralympics in Paris zwei Silber- und eine Bronzemedaille gewann. Es folgt Reit-Unterricht mit unterschiedlichen Kund:innen. Entweder auf deren Anlagen oder direkt bei ihr am Reitstall, je nach Wunsch und Vereinbarung. Vor 21 Uhr sei sie aber selten zu Hause, sagt sie. In ihrer Berufung als Pferdewirtschaftsmeisterin sind ihre Aufgaben vielschichtig. „Ich kümmere mich für meine Kunden um die Ausbildung ihrer Pferde, sowohl für den Spitzen-, als auch für den Breitensport. Ich gebe Anleitung im Umgang mit den Pferden und bin ständige Ansprechpartnerin und Betreuerin.“

Bei so vielen Aufgaben trifft es sich gut, dass die Diplom-Trainerin dabei ihrer „Lieblingsbeschäftigung“ nachgeht. Überhaupt genieße sie es, ihr Hobby zum Beruf gemacht zu haben. „Trotz des enormen Pensums gibt mir die Arbeit viel zurück.“ Ein Stück weit sei das auch Normalität, weil sie es schon so viele Jahre mache und es fast gar nicht mehr anders kenne. „Außerdem bin ich nicht der Typ, der um 16 Uhr auf der Couch liegen will.“

In ihrer Selbstständigkeit muss die 54-Jährige äußerst strukturiert und extrem diszipliniert sein, um Futterzeiten, Kundentermine, Ausbildungs- und Trainingszeiten einzuhalten. Hinzu kommen organisatorische und steuerliche Aufgaben. Die Planungen für ihre Reitturniere im Regel- und im Para-Sport, mit An- und Abreisen und entsprechenden Unterkünften, wickelt sie meist montags ab. „Da reite ich nicht. Da liegt der Fokus auf dem Papierkram und der Organisation – und auf meinem Physiotherapie- und Personal-Training, um mich auch selbst für die Turniere fit zu halten.“ Seit Jahren beschäftigt sie in ihrem Unternehmen auch eine Mitarbeiterin: „Ohne sie wäre der Tagesablauf so nicht zu realisieren, sie hilft mir enorm. Sie ist für alle Tätigkeiten rund um die Tiere zuständig, und ich trainiere die Pferde sowie ihre Reiter.“ Seit 2019 erhält Regine Sporthilfe-Förderung: 

„Die Sporthilfe ist eine große Unterstützung, damit ich nicht jeden Job annehmen muss, um die Existenz zu sichern und die Pferde zu unterhalten.“

Foto: picture alliance

Auch dadurch schaffe sie es inzwischen, sich gezielt Auszeiten zu nehmen. Dazu gehören Spaziergänge mit ihrem Hund oder auch „für einen wirklich guten Kaffee in die Stadt zu fahren“. Das schärfe die Wahrnehmung und das Bewusstsein für Genuss. Das war vor ihrer MS-Diagnose anders: „Früher war ich viel mehr von Ehrgeiz gesteuert und wollte immer mehr. Heute ist es eher ein positiver Ansporn, der mich antreibt, all das zu leisten.“ Und davon profitieren auch ihre Kund:innen und vor allem die Pferde.

Erschienen im Sporthilfe Magazin

Zur Ausgabe 02.2024


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