Pfälzische Frohnatur, inspirierende Persönlichkeit, gläubige Christin und Kugelstoß-Olympiasiegerin: Der Abend des 9. August 2024 hat das Leben von Yemisi Ogunleye ordentlich durcheinandergewirbelt. Wenige Monate nach ihrem Gold-Wettkampf von Paris empfindet sie vor allem eins: Dankbarkeit.
Es sind magische Stunden an diesem Freitagabend des 9. August 2024 im Stade des France. Magisch für das deutsche Team und seine Fans, aber vor allem auch für die Protagonistin: 80.000 Zuschauer im Stadion und mehrere Millionen vor den Bildschirmen zuhause erleben mit, wie sich Yemisi Ogunleye im olympischen Kugelstoß-Finale mit ihrem letzten Versuch in den Olymp katapultiert. Zunächst noch mit bangem Blick und mit vor den Mund geschlagenen Händen auf die finale Weite wartend, brechen sich anschließend in dem Bewusstsein, mit exakt 20 Metern Weite Olympiasiegerin geworden zu sein, kaum beschreibbare Glücksgefühls ihren Bann. Als ein Mix aus „Schock, Freude, Dankbarkeit“ versucht sie später ihre damalige Gefühlswelt in Worte zu fassen.
Auch Monate nach diesem denkwürdigen Sommerabend in der französischen Hauptstadt habe sie es noch nicht vollständig realisiert:
„Wenn mich jemand darauf anspricht und sagt, dass ich Olympiasiegerin bin, zucke ich zusammen und bekomme Gänsehaut.“
Alles habe sie in diesen letzten Stoß hineingegeben – körperlich und emotional. „Als ich gesehen habe, wo die Kugel aufkommt, konnte ich gar nicht glauben, was da passiert ist.“ Yemisi Ogunleye – Olympiasiegerin!
„Yemi“ wird seit dem Jahr 2017 von der Sporthilfe unterstützt. Damals hatte sie von olympischen Medaillen nur geträumt. Mit 19 Jahren war sie gerade zu Hause ausgezogen und hatte ihr Studium begonnen. Für jedes Training nahm sie dafür 50 bis 60 Kilometer pro Strecke auf sich. Da war die Förderung Gold wert.
„Die Sporthilfe war mein erster finanzieller Unterstützer. Diese Anfänge werde ich nie vergessen“,
blickt Yemisi heute dankbar zurück. „Es war damals das erste Mal, dass ich Geld auf meinem Konto gesehen habe, das erste Mal, dass ich meinen Sprit selbst bezahlen konnte. Das war nicht selbstverständlich für mich und deshalb ein sehr emotionaler Moment.“ Mittlerweile hat sie ihr Studium der Sonderpädagogik an der Universität Heidelberg abgeschlossen. Die Sporthilfe ist nach wie vor an ihrer Seite: „Die Sporthilfe und bei mir seit 2022 auch die Bundeswehr tragen zu unseren sportlichen Leistungen am meisten bei und ermöglichen es uns, auch das Drumherum zu finanzieren. Ich bin sehr dankbar, dass ich den Profisport ausüben darf.“
Eine, die immer an Yemisi geglaubt hat, ist Trainerin Iris Manke-Reimers, selbst ehemalige Siebenkämpferin. Seit zehn Jahren betreut sie die heute 26-Jährige. „Iris hat mich aufgenommen, als ich auf Krücken lief. Damals war ich sportlich heimatlos. Sie hat sich trotzdem dafür entschieden, den Weg mit mir zu gehen.“ Doch die Anfänge ihrer Zusammenarbeit waren von schweren Knieverletzungen und nicht von Erfolgen oder gar Medaillen geprägt. Ärzt:innen rieten damals der Schülerin, sich nicht auf den Leistungssport zu konzentrieren. „Iris hat mich behutsam aufgebaut, war sehr geduldig mit mir, mit sehr viel Herzblut. Den heutigen Erfolg verdanke ich ihr.“ Inzwischen verbinde die beiden weit mehr als der Sport. Iris Manke-Reimers ist in den Wurfdisziplinen der Leichtathletik eine der wenigen weiblichen Coaches. „Wir verbringen so viel Zeit miteinander. Von Frau zu Frau baut man da eine besondere Beziehung auf. Iris ist nicht bloß meine Trainerin, sondern eine Freundin geworden, die auch abseits des Sports eine wichtige Rolle in meinem Leben einnimmt.“
Dies betont Yemisi auch im Rahmen der „Danke, Coach!“-Aktion von Generali und Deutsche Vermögensberatung [siehe Info-Kasten]. Eine wichtige Initiative zur Wertschätzung der Trainer:innen, mahnt die Athletin: „Wir dürfen nicht vergessen: Trainer haben selbst auch Familie, sie haben Jobs und andere Verantwortungsbereiche bei der Arbeit und zu Hause. Unsere Trainer bringen ein riesiges Opfer, um für die Athletinnen und Athleten da zu sein. Dafür sollten sie eine größere Aufmerksamkeit und Dankbarkeit erhalten.“
Unsere Trainer bringen ein riesiges Opfer, um für die Athletinnen und Athleten da zu sein. Dafür sollten sie eine größere Aufmerksamkeit und Dankbarkeit erhalten.“
Iris Manke-Reimers sei dabei ein „Engel“, der ihr auf ihrem Weg begegnet sei und einen Teil dazu beigetragen habe, dass sie heute die Person sein könne, die sie ist.
Das sei aber nicht immer so gewesen. Insbesondere in der Schulzeit sei Mobbing ein großes Thema gewesen. Sie sei zu groß, ihre Haare sehen komisch aus, ihre Hautfarbe stimme nicht. Heute will die 26-Jährige „solcher Negativität nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken“. Vielmehr konzentriere sie sich auf die Menschen, die sie so lieben, wie sie ist. „Ich habe gelernt, mich auf das Licht in der Welt zu fokussieren. Meine Identität ist nicht davon abhängig, wo meine Eltern herkommen oder was andere über mich sagen.“ Bis sie sich eine solche Resilienz aufgebaut hat, seien aber Jahre vergangen.
Ein Prozess, bei dem sie auf der Suche nach dem Sinn des Lebens zu Gott gefunden habe. Der Weg führte sie in die Kirchengemeinde der Christ Ghospel City Karlsruhe. „Damals war ich 13 oder 14 Jahre alt, super introvertiert und hatte Angst, mit Menschen zu sprechen“, beschreibt sie ihr jüngeres Ich. Heute dagegen geht sie mit offenem Herzen und einem ansteckenden Lachen durchs Leben. „Meine Kirchengemeinde hat mir dabei geholfen Stück für Stück die Pakete abzulegen, die ich mit mir herumgetragen habe. Zum ersten Mal hat es jemand geschafft, hinter die Kulissen zu schauen und zu erfahren, was in der Schule passiert.“ Die Kirche entfachte ihre Liebe zur Musik, sie lernte das Singen, Klavierspielen und die Fähigkeit, vor Menschen zu sprechen. Heute versucht die gläubige Christin andere Menschen mit ihrer Geschichte zu ermutigen, sich ebenfalls durch schwere Zeiten zu kämpfen. „Ich kann allen nur empfehlen, mit vertrauten Menschen zu sprechen. Es ist immer ein Fehler, alles mit sich selbst auszutragen.“
Neben der Gemeinde war der Sport für Yemisi stets Ausgleich, Antrieb und Leidenschaft. Fortschritte im Training stärkten ihr Selbstvertrauen. Dies zeige die Wichtigkeit von guter Jugendarbeit.
„Der Sport lehrt uns die Disziplin und die Bereitschaft, sich für ein Ziel anzustrengen und die Zähne zusammenzubeißen. Durch den Sport entwickelt man sich nicht nur als Athlet, sondern vor allem auch als Mensch weiter.“
Eine Veränderung ihres Alltags und weitere Herausforderungen sind nun auch mit ihrem sensationellen Olympiasieg verbunden. Sponsorentermine, Ehrungen, Fotoshootings und Interviews gehören seit den Spielen in Paris beinahe zu ihrem Tagesgeschäft. Anfangs sei es noch komisch gewesen, immer die gleichen Fragen zu beantworten. „Inzwischen empfinde ich es als Privileg, dass es so viel Interesse an meiner Geschichte gibt und ich sie mit so vielen teilen darf.“
Die nächsten Ziele hat die Athletin gemeinsam mit ihrer Trainerin bereits vor Augen: Los Angeles 2028 und die Etablierung im Kreis der absoluten Weltspitze. „Eine Weite, die ich anpeilen will, habe ich auch noch im Kopf – aber wirklich nur im Kopf.“ Sie lacht. „Vier Jahre sind lang. Es ist wichtig, gesund zu bleiben und den Spaß nicht zu verlieren.“ Doch mit dem Rückhalt ihrer Eltern, ihrer Trainerin, ihrer Kirchengemeinde und dem Gospel-Chor zeigt sie sich zuversichtlich. „Der Sport und die Musik haben mir immer Kraft gegeben. Ich weiß, das kann ich.“ Qualitäten, die sie an diesem denkwürdigen Sommerabend des 9. August 2024 im Stade de France eindrucksvoll unter Beweis stellte. Nicht nur im Kugelstoß-Ring, sondern auch bei der anschließenden Pressekonferenz, bei der sie vor der versammelten Weltpresse den Song „I almost let go“ performte.
Erschienen im Sporthilfe Magazin
Generali und Deutsche Vermögensberatung, Nationaler Förderer der Sporthilfe, bot in 2024 allen rund 4.000 Sporthilfe-geförderten Athlet:innen die Gelegenheit, sich öffentlichkeitswirksam bei ihren Trainer:innen für deren tägliche Arbeit zu bedanken. Aus zahlreichen emotionalen und beeindruckenden Einsendungen suchte eine Jury bestehend aus Biathlon-Olympiasiegerin Denise Herrmann-Wick und Sebastian Dietz, Paralympicssieger im Kugelstoßen, sowie Sporthilfe-Vorständin Karin Orgeldinger vier Paare aus, die stellvertretend für alle anderen laut „Danke, Coach!“ sagen: Neben Yemisi Ogunleye mit Iris Manke-Reimers auch Freestyle-Skifahrerin Sabrina Cakmakli mit Coach Isabelle Hanssen, Para-Cycler Maximilian Jäger mit Coach Frederik Hähnel sowie Breakerin Jilwan „Jilou“ Rasul mit Coach Fatima Yazici.