Für das Karriere-Highlight bei der Heim-WM 2017 ordnete Handball-Nationalspielerin Anna Loerper alles andere unter. Möglich war dies unter anderem durch die Förderung der Deutschen Sporthilfe.
Anna Loerper hat im Handball schon so manches erlebt. Mit mehr als 235 Einsätzen ist sie die dienstälteste Spielerin im aktuellen Aufgebot der deutschen Nationalmannschaft. Seit 2005 lief sie bei allen Welt- und Europameisterschaften auf, seit 2016 sogar als Kapitänin. Eine WM im eigenen Land (1. bis 17. Dezember 2017) ist aber auch für die routinierte Rückraumspielerin ein Novum. Ein Karriere-Highlight, für das sich viele Opfer lohnen.
"Bei einer Heim-WM", sagt Loerper "möchte man einfach noch einmal eine Schippe drauflegen. Man hat schon im Jahr davor gemerkt, dass alle Spielerinnen auf dieses Ereignis brennen." Der gemeinsame Traum: Das Halbfinale vor dann bis zu 13.000 Zuschauern in der Hamburger Barclaycard Arena. Dafür zogen in der diesmal besonders intensiven Vorbereitung alle an einem Strang: regionale Zusatz-Lehrgänge für die Nationalspielerinnen, gesteigerte Intensitäten, zeitweise sogar Extra-Pausen im normalen Liga-Betrieb. „Das ist eben der besondere Charakter einer Heim-WM“, betont Loerper.
Wir haben wohl selten so zielorientiert gearbeitet wie vor diesem Turnier.
Sie selbst ging dabei noch einen Schritt weiter und kündigte ihren Job in der Marketingabteilung des württembergischen Landessportbundes, um sich ganz auf die WM konzentrieren zu können. „Ich wollte einfach als Kapitänin mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen, dass in Sachen Training und Fokussierung diesmal ein bisschen mehr geht“, sagt sie. Eine zweifellos vorbildliche Einstellung für eine Mannschaftsführerin – aber eben auch ein Entschluss nicht gänzlich ohne Risiko.
Denn wie fast alle Spielerinnen im Nationalteam ist Loerper keineswegs Vollprofi. Die gebürtige Kempenerin studierte parallel zum Handball zunächst Diplom-Sportwissenschaften mit Schwerpunkt Ökonomie und Management und arbeitete anschließend unter anderem in einem Versicherungsunternehmen sowie in der Geschäftsstelle ihres aktuellen Vereins TuS Metzingen. „Man muss schon sehr gut organisiert sein, um das alles unter einen Hut zu bekommen“, berichtet sie. Und weiß doch, dass man trotzdem manchmal an seine Grenzen stößt.
Im Rahmen ihrer letzten Stelle beim württembergischen Landessportbund war es die ständige Pendelei von Metzingen ins Büro nach Stuttgart, die Loerper letztlich zu viel wurde. „Ich habe gemerkt, dass ich körperlich nachgelassen habe, weil ich vor allem nach längeren Reisen keine Regenerationszeiten mehr hatte“, sagt sie. „Bevor daraus eine Verletzung entstanden wäre, habe ich den Entschluss gefasst und aufgehört. Der Fokus lag ganz klar auf der Heim-WM."
Eine wichtige Voraussetzung dafür war die Förderung durch die Deutsche Sporthilfe. „Als ich wusste, dass die Sporthilfe mich unterstützt, habe ich mich entschieden, ab April nicht mehr zu arbeiten“, sagt Loerper. Mit Geldern aus dem regulären Förderetat sowie einer zusätzlichen, großzügigen und projektbezogenen Spende des handballbegeisterten Unternehmers Dietmar Harting aus der Sporthilfe-Jubiläums-Initiative "50 Jahre - 50 Projekte" stellte die Sporthilfe bis zum Jahresende eine monatliche Grundförderung für alle Spielerinnen aus dem WM-Kader sicher - unabhängig von deren eigentlicher Förderstufe. Für viele Spielerinnen war dies eine wichtige Absicherung, um den Fokus bis zur WM auch wirklich allein aufs Handballspielen legen zu können.
Der mentale Druck durch die permanente Koordination von Job und Sport ist weggefallen.
Der Effekt war umgehend spürbar. „Wir sind eine eingeschworene Truppe geworden“, erzählt Loerper. Vor allem taktische Dinge seien bei den Lehrgängen vor der WM „viel schneller wieder präsent“ gewesen. Auch bei sich selbst beobachtete sie klare Fortschritte: „Ich habe das Gefühl, dass ich frischer bin, härter trainieren kann. Meine Regenerationsphasen sind länger und ich kann mich besser behandeln lassen."
Während Loerper also die Vorteile eines „Profidaseins auf Zeit“ genoss, mussten manche ihrer Teamkolleginnen andere Lösungen finden. Torhüterin Clara Woltering beispielsweise konnte als selbstständige Landwirtin nicht eben ein halbes Jahr komplett die Arbeit ruhen lassen, Rückraum-Ass Jenny Karolius ist in ihrem Job in einer Ergotherapie-Praxis ebenfalls nicht dauerhaft zu entbehren. Auch für sie erfüllte die Sporthilfe durch die Zahlung von Verdienstausfällen während der Lehrgänge eine Voraussetzung für die optimale Vorbereitung. Oder wie es Loerper formuliert: „Sonst könnten sie schlichtweg nicht dabei sein.“
Loerper selbst will sich erst nach der WM wieder mit Fragen nach der beruflichen Karriere beschäftigen. Auch wie es im Handball für sie weitergehe, sei derzeit noch offen. „Mein Ziel ist es, irgendwann einen schleichenden Prozess einzuleiten“, sagt sie. „Vielleicht dann auch nicht mehr als Nationalspielerin.“
(Veröffentlicht am 29. November 2017)
*18. November 1984 in Kempen
WM-Dritte 2007
Handballerin des Jahres 2015
235 Länderspiele / 396 Tore