Katharina Lang begann ihre Basketball-Karriere als „Fußgängerin“, wurde 2009 mit Bad Aibling Deutsche Meisterin, bevor sie nach mehreren Kreuzbandrissen zum Rollstuhlbasketball wechselte. Dank eines Sportstipendiums studierte die 28-jährige Nationalspielerin die vergangenen Jahre Marketing in den USA an der University of Alabama, wo sie inmitten der Corona-Pandemie nicht nur das College-Team als Kapitänin zum Nationalen Titel führte, sondern auch ihren Bachelor mit Auszeichnung ablegte.
Katharina, vor kurzem sind die Vorrundengruppen für die Spiele in Tokio ausgelost worden, wie groß ist die Vorfreude auf Deine erste Paralympics-Teilnahme?
Ich freue mich unglaublich auf Tokio, jetzt, wo zu 90 Prozent feststeht, dass die Spiele stattfinden.
Das deutsche Team hat bei den vergangenen drei Spielen in Peking, London und Rio einmal Gold und zweimal Silber gewonnen. Ist eine Medaille in Tokio fest eingeplant?
Das wird auf keinen Fall ein Selbstläufer. Die anderen Nationen haben zuletzt enorm hart gearbeitet und viel Geld eingesetzt, um sich weiterzuentwickeln. Sie haben teilweise deutlich höhere finanzielle Mittel als wir zur Verfügung. Dazu kommt, dass es in den letzten Jahren in unserem Team einen Umbruch gab, weil einige erfahrene Spielerinnen aufgehört haben. Aber wir versuchen natürlich oben dranzubleiben und das Beste rauszuholen.
Wir alle wollen mit einer Medaille nach Hause fahren. Dafür haben wir die letzten Jahre sehr hart gearbeitet.
Wie hat Dich dabei die bisherige Corona-Zeit beeinflusst? Viele deutsche Athlet:innen – das zeigen kürzlich veröffentlichte Umfrage-Ergebnisse – haben in den letzten Monaten daran gedacht, ihre Sportkarriere zu beenden.
Ich gebe zu, ich habe auch dazugehört. Mitte März letzten Jahres wurden wir aufgrund der Pandemie von der Uni aufgefordert, die USA zu verlassen und nach Hause zu fliegen. Als dann auch noch die Paralympics verschoben wurden, stand ich plötzlich gefühlt vor dem Nichts. Zuvor hatte ich die Tage bis Tokio runtergezählt, und auf einmal wurden wieder 365 Tage oben draufgepackt. Die ganze Arbeit nochmal von vorne, ohne zu wissen, ob die Spiele 2021 tatsächlich stattfinden würden?! Das hat schon an mir genagt.
Wie bist Du aus diesem mentalen Loch wieder herausgekommen?
Ich entschloss mich, eine Schulter-OP, die eigentlich erst nach Tokio angedacht war, vorzuziehen. Ich dachte, so kann ich die Zeit am besten nutzen – was letztendlich auch super geklappt hat. Dank der finanziellen Unterstützung durch die Deutsche Sporthilfe und das Deutsche Bank Sport-Stipendium konnte ich mir Kraftraum-Equipment für das Heim-Training anschaffen und mich so bis zum Saisonstart im August in den USA wieder fit machen.
Wie motiviert konntest Du Dein Studium fortführen? Immerhin hast Du die Semester zuvor stets auf der President's List der University of Alabama gestanden, welche die Student:innen mit einem Notenschnitt von 1,0 auflistet.
Ich hatte zumindest die Motivation, diesen Schnitt auch weiterhin zu halten. Allerdings musste ich den Rest des Frühlings-Semesters von München aus bewältigen. Ich bin jemand, der gerne früh ins Bett geht, und plötzlich hatte ich durch die Zeitverschiebung in die USA Vorlesungen, die von Mitternacht bis drei oder vier Uhr morgens gingen. Ich wurde zur Nachteule, um mein Studium erfolgreich voranzutreiben.
… welches Du dann dieses Frühjahr mit magna cum laude bestanden hast.
Ich hatte ab August nur noch ein Semester vor mir, mit geplant vier Kursen. Doch dann habe ich gemerkt, dass sich mein Studienberater um zwei Kurse verrechnet und ich plötzlich sechs belegen musste. Zum ersten Mal in meinem Leben wusste ich nicht, wie ich das händeln sollte. Ich fühlte mich schlichtweg überfordert. Doch durch die medizinische Abteilung der Nationalmannschaft habe ich Kontakt zu einer Psychotherapeutin, der früheren Schwimmerin Petra Dallmann, aufgenommen. Mit ihr konnte ich mich über den Druck in der Uni und im Sport austauschen, was mir extrem geholfen hat. Ich bin normalerweise kein Mensch, der sich auf fremde Hilfe stützt. Diese Situation hat mir jedoch gezeigt, dass es enorm hilfreich ist, nicht immer nur mit sich selbst zu ringen.
Das heißt, Du kannst für Deine persönliche Entwicklung auch etwas Positives aus der Corona-Pandemie ziehen?
Auf jeden Fall. Ich habe die Pandemie zu Beginn als enormen Stressfaktor erlebt, aber durch die Therapie viel Positives entdeckt. Ich lebe viel bewusster und habe enorme Freude und Motivation für meinen Sport wiederentdeckt.
Kommen wir auf diesen nochmal zurück. Wie reagieren die Menschen, wenn Du erzählst, dass Du Rollstuhlbasketball spielst, im Alltag aber gar nicht auf diesen angewiesen bist?
Sie schauen erstmal sehr verdutzt. Mir macht es dann immer Freude aufklären zu können, dass eigentlich jeder Mensch, ob behindert oder nicht, Rollstuhlbasketball spielen kann. Manchmal kommen zwar Vorbehalte, dass ich einer stärker Behinderten einen Platz wegnehmen würde. Aber das kommt nur von Außenstehenden, denn in den Statuten ist klar geregelt, wie stark der Behindertengrad innerhalb einer Mannschaft zu sein hat. Im Team sagt keine „Oh je, die Fußgängerin“.
Für mich war es vom ersten Tag als Rollstuhlbasketballerin unheimlich schön zu spüren, wie jede unterstützt wird, um besser zu werden. Für uns zählt das Team und die Leistung.
Es macht mir so viel Spaß, dass ich mir durchaus vorstellen kann, auch 2024 in Paris noch an den Start zu gehen. Auch wenn ich dann schon über 30 bin. Dann aber hoffentlich mit Zuschauern und meiner Familie im Publikum. Denn die werde ich als Fans vor Ort in Tokio vermissen.
(Veröffentlicht am 28.06.2021)
Geburtsdatum | 2. Januar 1993 in München |
Sportart | Rollstuhlbasketball |
Wohnort | München |
Verein | RBB München Iguanas / University of Alabama |
Größte Erfolge | WM-Dritte 2018, EM-Dritte 2019, EM-Zweite 2017, Siegerin der College Nationals (USA) 2019 und 2021 |
Studium | Marketing |
Universität | The University of Alabama (USA) |