Athlet:innen, die sich im Laufe ihrer Karriere zu einem Wechsel ihrer Sportart entscheiden, sind in der modernen Sportwelt eher die Ausnahme als die Regel. Doch immer wieder gibt es Multitalente, die gleich in mehreren Disziplinen von Erfolg zu Erfolg eilen – im Schlaglicht diesmal: Drei Sportler:innen, die als Aktive noch einmal umgesattelt haben.
Karrieren im Leistungssport verlaufen selten gradlinig – auch Georg Fleischhauer hat diese Erfahrung bereits gemacht, sogar mehrfach. Viele Jahre trainierte und lief der Leichtathlet die 110m-Hürden. Mit seiner Größe von 1,95m hat er einen langen und schnellen Schritt zwischen den Hürden, aber für die großen sportlichen Erfolge reichte das weder in der Jugend noch bei den Erwachsenen. Es fehlte oft eine Zehntelsekunde für das Finale der Deutschen oder für die Qualifikation zu den U23-Europameisterschaften. Erst der Wechsel auf die längere 400-Meter-Hürden-Strecke brachte dem damals 22-Jährigen den Durchbruch. Er wurde 2010 Deutscher Meister und erreichte ein Jahr später das WM-Halbfinale. Die Teilnahme an den Olympischen Spielen in London erschien plötzlich zum Greifen nahe.
Doch wenige Monate vor den Spielen musste Fleischhauer seine Vorbereitung aufgrund von Achillessehnenproblemen unterbrechen. Er kämpfte sich zurück, für die Norm reichte es allerdings nicht mehr. Als Trost blieb in diesem olympischen Jahr der 6. Platz bei den Europameisterschaften. Die Folgezeit war geprägt von weiteren Verletzungssorgen und einer damit einhergehenden Stagnation der Leistung. Viele internationale Meisterschaften verfolgte er nur als Zuschauer. Indessen trieb er seine Duale Karriere voran, schloss sein Masterstudium im Wirtschaftsingenieurwesen ab und arbeitet seitdem als Part-time Consultant bei PwC Deutschland. Nichtsdestotrotz blieben seine internationalen Medaillenträume erhalten. Nach der verpassten Teilnahme an der Heim-EM 2018 in Berlin wechselte er den Trainer, um noch einmal neu durchzustarten. Zusätzlich liebäugelte Fleischhauer auch erstmals mit einem Sportartenwechsel – inspiriert von seinem früheren Trainingskollegen Martin Grothkopp, der 2013 den Weg in den Bobsport ging und als Anschieber zum Olympiasieger und mehrfachen Weltmeister avancierte.
Bereits bei den ersten Anschubtests 2019 überzeugte Fleischhauer mit seiner Schnellkraft. Die ersten internationalen Wettkämpfe auf der Eisbahn bestritt er mit dem Piloten Maximilian Illmann im Europa-Cup, bereits nach wenigen Wochen stand der Hürdensprinter dort ganz oben auf dem Treppchen. Der Wechsel zum Bobsport sollte jedoch nicht gleichzeitig den Abschied von der Leichtathletik bedeuten, zumal auch die Trainingseinheiten als Bobanschieber primär auf der Tartanbahn erfolgen.
Zwar verpasste der für die LG Eintracht Frankfurt startende Athlet aufgrund einer erneuten Verletzung die zurückliegende Wintersportsaison, aber wer den gebürtigen Magdeburger kennt, weiß, dass er sich durch Rückschläge nicht aufhalten lassen will. Anfang des Jahres meldete er sich bei den Deutschen Hallenmeisterschaften in der Leichtathletik mit einem zweiten Platz über 60m Hürden zurück und qualifizierte sich damit für die Hallen-Europameisterschaft. Parallel wird er aber auch wieder um einen Platz im Bob kämpfen, denn den Traum von einer Teilnahme oder gar Medaille bei Olympischen Spielen hat der 32-Jährige weiterhin fest im Blick – wenn nicht im Sommer in Tokio, dann vielleicht im Winter 2022 in Peking.
(Veröffentlicht am 21.06.2021)
Erschienen im Sporthilfe-Magazin go!d - Zur kompletten Ausgabe (1/2021)