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Franziska van Almsick: „Mit dem Olympiasieg wäre ich ein anderer Mensch geworden“

Franziska van Almsick wurde bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona 14-jährig zum ersten gesamtdeutschen Superstar des Sports. Heute ist sie stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende bei der Deutschen Sporthilfe und arbeitet in dieser Funktion für eine noch bessere Förderung des Nachwuchs – etwa von Talenten wie Freiwasserschwimmer Oliver Klemet. Im Doppelinterview der Funke Mediengruppe sprachen beide über ihren Sport und die Bedeutung der Sporthilfe.

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Die Deutsche Sporthilfe feiert ihren 55. Geburtstag, hat dafür in die Archive geblickt und 25 legendäre Sportmomente seit ihrem Bestehen identifiziert. Franziska van Almsicks Gewinn der olympischen Silbermedaille über 200 Meter Freistil bei den Spielen 1992 in Barcelona gehört dazu. Knapp 30 Jahre später sprechen wir mit der heute 44-Jährigen über diesen Moment – und was danach folgte. Mit dabei ist Oliver Klemet, 20 Jahre junger Freiwasserschwimmer aus Frankfurt, der im vergangenen Jahr Silber bei der Jugend-EM über 10 Kilometer (1:51:09,17 Stunden) gewann.

 

Franziska, dieses Bild aus Barcelona: Was denkst Du, wenn Du es siehst?

van Almsick: Ich bin da damals ohne große Erwartungen zu meinen ersten Olympischen Spielen gefahren. Das Foto zeigt, was ich generell für ein Typ bin, das hat sich bis heute nicht verändert. Ich habe mir trotz allem eine gewisse Zurückhaltung bewahrt. Das Lächeln zeigt aber auch, dass ich immer nur meinen Sport machen wollte. Es war damals noch nicht so wie heute, wo man groß rauskommen will, wo viele junge Leute es toll finden, wenn sie möglichst viele Follower haben.

Oliver, Du bist einer dieser jungen Leute. Schwimmst Du, um möglichst viele Follower zu ergattern?

Klemet: Mein größtes Ziel ist die Olympiateilnahme. Die Atmosphäre wird ja immer als etwas ganz Besonderes beschrieben, noch mal ganz anders als bei einer WM oder EM. Ich war bislang nur bei einer EM, das war vom Feeling her schon deutlich anders als alle anderen Wettkämpfe.

Mir geht es nicht um ein paar Tausend Follower mehr, ich möchte zu Olympia.

Der große Moment 1992: Franziska van Almsick wird Olympia-Zweite über 200 Meter Freistil, gewinnt zudem drei weitere Medaillen (Foto: picture alliance)

van Almsick: Wenn ich das jetzt so direkt sagen darf, Oliver, aber Du bist ja noch verrückter, als ich es damals war. Meine „Deadline“ lag bei 1:56 Minuten. Alles, was über zwei Minuten ging, war schon echt hart. Es ist so viel mehr Aufwand, ein Freiwasserschwimmer zu sein. Da will ich meinen allergrößten Respekt zollen. Ich finde es ganz toll, von einem jungen Mann zu hören, dass das große Ziel Olympia ist. Das ist eine Einstellung, ein Gefühl, eine Erfahrung, eine Emotion. Dafür lohnt es sich.

Klemet: Ja also, Franzi – wenn ich das so sagen darf, …

van Almsick: … klar!

Klemet: … Franzi ist ja allgemein bekannt und eine klasse Sportlerin gewesen. Da ist es natürlich schön für mich, so etwas von ihr zu hören. Das spornt mich an.

Franziska, vor 30 Jahren in Barcelona warst Du jünger als Dein ältester Sohn jetzt. Du wolltest nur schnell schwimmen, dafür hattest Du trainiert. Dann wurde Dein Leben auf den Kopf gestellt. Wie erinnerst Du Dich daran?

van Almsick: Es war rückblickend gesehen eine aufregende Zeit. Ich durfte viele tolle Sachen erleben. Dafür bin ich sehr dankbar. 1992 – das war kurz nach dem Mauerfall – bin ich aus der ehemaligen DDR gekommen. Und das, was auf mich eingestürzt ist, hat viel damit zu tun, dass ich die erste gesamtdeutsche Berliner Göre war, die alle beeindruckt hat. Da haben die Zeit und mein Erfolg zusammengespielt. Ich habe „Schicksal“ auf meinen Rücken tätowiert und bereue bis heute das Tattoo nicht. Dinge passieren und haben dann auch irgendwie einen Sinn.

Deine Karriere war nicht nur toll.

van Almsick: Trotzdem habe ich es im Großen und Ganzen gut gemeistert, auch ohne Olympiasieg. Ich habe an vier Spielen teilgenommen, zehn Medaillen gewonnen. Das ist ein Erfahrungsschatz, den viele andere nicht haben.

Freiwasserschwimmer Oliver Klemet, Jahrgang 2002, wird seit 2019 von der Sporthilfe gefördert (Foto: picture alliance)

Über die fehlende Goldmedaille denkst Du nicht mehr nach?

van Almsick: Doch, besonders jetzt, wenn wir mit Oliver über Sport und Olympische Spiele reden.

Aber im Nachhinein glaube ich auch, dass das meine Rettung war. Mit dem Olympiasieg wäre ich ein anderer Mensch geworden.

Wieso das?

van Almsick: Ich hätte es möglicherweise nicht viermal versucht, meinen Traum von einer Goldmedaille zu erfüllen. Heute, mit 44, bin ich demütig: Ich habe zwei gesunde Kinder, ich habe eine glückliche Beziehung, mein Leben hat bisher sehr gut funktioniert. Festzustellen, dass man auch ohne dieses eine Ziel glücklich und zufrieden sein kann, ist sehr befreiend.

Oliver, will man das hören? Olympia als Ziel, und dann sagt Dir jemand: Ist auch nicht so schlimm, wenn es nicht klappt?

Klemet: Tatsächlich passt es gerade ganz gut. Wir hatten am Wochenende die Qualifikation für die Weltmeisterschaft. Und die habe ich über die fünf und die zehn Kilometer um ein paar Zehntelsekunden zweimal knapp verpasst.

Du warst der Liebling der Nation und holtest dann bei den Spielen 2000 in Sydney keine Einzelmedaille. Zwei Jahre später gewannst Du fünfmal EM-Gold und knacktest dabei über 200 Meter den eigenen Weltrekord. Wie hast Du das geschafft?

van Almsick: Ich habe immer daran geglaubt, dass ich mit Anfang 20 schneller schwimmen kann als ein 16-jähriges Mädchen von damals. Das war mein großer Ansporn, daran habe ich sehr, sehr hart gearbeitet.

Die 16-Jährige hat in den Jahren niemand schlagen können, also musste ich es machen und ihren Rekord unterbieten.

Welche Rolle spielt die Stiftung Deutsche Sporthilfe für Euch beide?

van Almsick: Die Sporthilfe ist wahnsinnig wichtig. Wir haben mittlerweile fast 4000 Athleten, die wir nicht nur finanziell, sondern auch in ihrer dualen Karriere unterstützen. Das sind junge Menschen, die mehr wollen im Leben. Aber diese Art von Hochleistung kann man nicht bringen, wenn man nicht unterstützt wird. Es ist schön zu sehen, was wir in den letzten Jahren an Strukturen für die Athleten neu geschaffen haben.

Klemet: Mein Zimmer im Sportinternat wird von der Sporthilfe gefördert, das ist eine große Entlastung im Alltag und gibt Stabilität. Wenn man dann studiert, hilft das Geld, dass man sich neben dem Studium ganz auf den Sport konzentrieren kann und nicht noch zusätzlich etwas verdienen muss.

von Susanne Rohlfing, Funke Mediengruppe (erschienen am 26. Mai 2022)



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