Matthias Steiner im Interview

Matthias Steiner über Olympia 2008: “Ein Gefühl, das ich heute noch spüren kann”

Zuletzt war der Olympiasieger, Welt- und Europameister im Gewichtheben mit seinem Unternehmen in der VOX-Sendung „Die Höhle der Löwen“ zu sehen, bei dem er erfolgreich einen Deal mit einem Investor abschließen konnte. Im Sporthilfe-Interview spricht Matthias Steiner, der 2022 in die „Hall of Fame des deutschen Sports“ gewählt wurde, über olympische Momente, Gründerambitionen und wie er die Zeit nach der aktiven sportlichen Karriere gestaltet.


Du bist ein echter Tausendsassa: Erst Gewichtheber und Olympiasieger, dann Buchautor, TV-Gesicht, Vortragsredner, Start-up-Gründer, um nur einige Deiner Tätigkeiten zu nennen – in welcher dieser Rolle fühlst Du Dich am wohlsten?

Ich würde mich nicht unbedingt als Tausendsassa bezeichnen, ich hatte nur das Glück, dass sich nach meiner sportlichen Karriere viele Möglichkeiten ergeben haben. Ich glaube aber auch an das Glück des Tüchtigen.

Ich war zwölf Jahre lang Leistungssportler, der Sport war für mich die absolute Befriedigung. Aber danach war auch klar, dass etwas anderes hermuss. 

Ich habe viel ausprobiert in der Unterhaltungsbranche. Aber meine wirkliche Berufung ist die Ernährung. Und das habe ich im Endeffekt zum Beruf gemacht. Wenn man mich heute fragt, bin ich Unternehmer.

Du hast gemeinsam mit Deiner Frau Inge das Start-up „Steiners“ gegründet, bei dem ihr Low-Carb-Produkte entwickelt. Zuletzt wart ihr gemeinsam bei der VOX-Sendung „Die Höhle der Löwen“ und habt einen Deal mit einem Investor abgeschlossen. Was hat Dich dazu veranlasst, „STEINERfood“ zu gründen?

Der tatsächliche Auslöser war, dass meine Frau und ich einen Bestseller geschrieben haben: „Das Steiner Prinzip“. Das Buch hat sich so gut verkauft, dass ich über das ganze Land verteilt über 70 Lesungen gehalten habe. Dabei habe ich gemerkt, dass die Menschen überall – vom bayrischen Wald bis in Ostfriesland – mit den gleichen Problemen kämpfen. Jeder möchte gerne abnehmen, aber nicht auf Genuss verzichten. Und da habe ich angesetzt.

 

Durch meinen Diabetes Typ 1 musste ich mich schon früh mit dem Thema Ernährung auseinandersetzen und habe Produkte gesucht, die normal schmecken, aber wenig Kohlenhydrate enthalten. Da gab es fast nichts auf dem Markt und deshalb habe ich selbst mit einem befreundeten Bäckermeister herumexperimentiert. Am Anfang war das nur ein Hobby, im Jahr 2020 bin ich dann mit einem Lizenzmodell gestartet. Mittlerweile ist das Unternehmen so gewachsen, dass wir acht Mitarbeitende in den Kernpositionen haben.

Das scheint eine echte Erfolgsgeschichte zu sein.

Ein klares Zeichen für den Erfolg ist auch, dass wir hier und da etwas Gegenwind bekommen. Genau wie im Sport: 

Je erfolgreicher ich wurde, desto mehr kritische Stimmen gab es.

Wir sind also auf dem richtigen Weg. Dennoch: Der Erfolg ist mir nicht zugeflogen, das waren vier wirklich sehr intensive und anstrengende Jahre. 

2008 holt der heutige Start up-Gründer Gold bei den Olympischen Spielen - und widmet die Medaille in einem emotionalen Moment seiner verstorbenen Frau. (Foto: picture alliance)

Kürzlich wurde zum siebten Mal das “Sporthilfe Start-up des Jahres” ausgezeichnet: Hast Du Tipps für die jungen Gründer:innen?

Es ist wichtig von seiner Idee überzeugt zu sein. Gerade im Start-up-Bereich ist es völlig normal, dass man Fehlentscheidungen trifft, weil man es nicht besser wissen kann. Daran wächst man. 

Man darf keine Angst davor haben, zu scheitern, denn auf dem Weg nach oben kannst Du nicht alles perfekt machen. 

Da spielen am Ende des Tages, neben all dem Fleiß auch Zufall und Glück eine Rolle, dass man zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ist. 

Sind aktuell weitere Projekte in Planung?

Gerade nach der Ausstrahlung von „Die Höhle der Löwen“ kamen so viele Bestellungen rein, dass wir sieben Tage die Woche gearbeitet haben. Außerdem bringen wir immer wieder neue Produkte auf den Markt, es gibt Verhandlungen mit dem Einzelhandel, wir sind auf Messen, immer auf der Suche nach neuen Produzenten und Verpackungen, deshalb ist „Steiners“ kein Projekt mehr, sondern ein Fulltime-Job, ein Unternehmen.

2015 veröffentlicht Steiner zusammen mit seiner Frau das Buch „Das Steiner Prinzip“. (Foto: picture alliance)

Darüber hinaus ist geplant, einen Youtube-Channel zu kreieren, sodass wir mehr aufklären können und unsere Produkte besser verstanden werden. Nach wie vor halte ich auch gerne Vorträge. Das kann ich, das macht mir Spaß und durch mein Unternehmen kommen immer wieder neue Themen für Vorträge hinzu. Und in Fernsehsendungen bin ich auch immer noch gern zu Gast. 

Vor 16 Jahren wurdest Du bei Olympischen Sommerspielen in Peking Olympiasieger im Gewichtheben. In etwas mehr als zwei Monaten finden die Olympischen Spiele in Paris statt. Bist Du live dabei beziehungsweise hast Du Zeit, sie zu verfolgen?

Zeitlich wird es schwierig für mich, nach Paris zu fahren. Aber die Olympischen Spiele im Herzen von Europa werden sicher besonders. Ich kenne die Atmosphäre von Olympia und finde es deshalb genauso schön, es mir auf dem Bildschirm anzusehen. Ich verfolge die Berichterstattung und nach wie vor verspüre ich ein Kribbeln. Ich kann mich in die Athleten hineinversetzen und weiß, wie aufregend das ist. Da kann ich nur allen Teilnehmenden empfehlen, saugt es auf und genießt es!

Gibt es etwas, worauf Du Dich besonders freust?

Beim Gewichtheben werde ich mit Sicherheit die Wettbewerbe im Superschwergewicht anschauen, den stärksten Mann der Welt möchte ich schon sehen. Aber auch Beachvolleyball, Badminton, Leichtathletik: Das gucke ich mir alles gerne an. Da möchte ich keine Sportart hervorheben. Die Wettkämpfe leben von der Spannung. Sport ist immer schön, wenn es knapp wird.

Welche besondere Erinnerung verbindest Du mit Deinem Olympiasieg 2008?

Das war ein einzigartiger Moment, den man so nicht nochmal erleben wird. Als Unternehmer fragt man sich oft, wie man den Erfolg misst. Zum Jahresabschluss kann man sehen, ob man schwarze Zahlen geschrieben hat, das ist ein Erfolg. Aber Erfolg kann eben auch etwas ganz anderes sein. Wenn im Leistungssport der Tag da ist, auf den Du hingearbeitet hast, alles perfekt funktioniert und du Olympiasieger wirst – das ist ein wahnsinniges Gefühl, dieser eine Moment. Er ist zwar sehr kurz, aber das Gefühl so intensiv, dass ich es heute noch immer spüren kann. Nach meinem Sieg ist alles wie im Zeitraffer passiert; die Pressekonferenz, die Dopingkontrolle, der Besuch im Deutschen Haus – das ging alles wahnsinnig schnell. Der erste bewusste Moment war dann morgens um sechs Uhr beim Frühstück im Olympischen Dorf. Dort lag die China Daily aus, die größte englischsprachige Tageszeitung in China, mit einem Foto von mir auf der Titelseite. Da habe ich gemerkt, dass etwas Großes passiert ist. 

Bist Du dem Gewichtheben noch immer treu oder hast Du andere Sportarten für Dich entdeckt?

Dem Gewichtheben bin ich nach wie vor sehr verbunden. Gewichtheben ist eine sehr effiziente Sportart was Athletik, Schnellkraft, Dynamik, Technik, Beweglichkeit, Kraft und den Körper insgesamt angeht. Deshalb wird es auch in vielen anderen Sportarten trainiert. Abgesehen vom Gewichtheben fahre ich, wenn die Zeit es zulässt, auch gerne Rennrad, springe mit meinen Kindern Trampolin oder spiele mit ihnen ab und zu Fußball. Eigentlich mache ich alles gerne.

2022 bist Du in die „Hall of Fame des deutschen Sports“ aufgenommen worden – welchen Stellenwert hat diese Auszeichnung für Dich, gerade auch im Hinblick auf Deine zahlreichen weiteren Auszeichnungen? 

Ehrlicherweise hatte ich mich davor noch nicht viel mit der ,Hall of Fame’ auseinandergesetzt, weil ich so früh noch nicht damit gerechnet hätte. Ich dachte, dass das vielleicht mit Anfang 50 Thema wird, aber mit 40 war es dann schon eine Überraschung.

2022 wird der ehemalige Gewichtheber in die "Hall of Fame des deutschen Sports" aufgenommen. Die Aufnahmefeier fand im Rahmen der Preisverleihung der "Goldenen Sportpyramide" statt.

In dem Alter sind viele Ausdauersportler selbst noch aktiv. Aber natürlich habe ich mich wahnsinnig gefreut und mich sehr geschmeichelt gefühlt.

Es ist schon etwas Großes in die ,Hall of Fame des deutschen Sports’ aufgenommen zu werden, gerade wenn man bedenkt, wie viele großartige Sportler Deutschland hatte und noch immer hat. Das ist etwas Außergewöhnliches.

Du bist Mitglied im Sporthilfe Alumni-Club, dem Netzwerk für alle ehemals geförderten Sporthilfe-Athlet:innen. Was macht den Club aus Deiner Sicht besonders?

Auf den diversen Sporthilfe-Veranstaltungen netzwerkt man häufig, aber die Gelegenheit dazu hat man meistens nur zwei bis drei Mal im Jahr, das ist ein bisschen wenig. Deswegen finde ich den Alumni-Club so gut. Man muss nicht zwingend aktiv werden oder überall dabei sein, sondern kann sich bei den Themen und Angeboten, die einen wirklich interessieren, einklinken. Das finde ich großartig und deswegen wächst der Alumni-Club auch stetig.


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