Johannes Weißenfeld: "Die Duale Karriere ist ein Geschenk"

Johannes Weißenfeld, Welt- und Europameister mit dem Deutschland-Achter, sitzt seit 2017 im Paradeboot des Deutschen Ruderverbands – inzwischen die dritte Saison in Folge. Der 24-Jährige studiert an der Ruhr-Universität Bochum Humanmedizin. Im Sommer 2018 bestand er das Physikum – zur Prüfung flog er direkt aus dem Trainingslager in Österreich ein, wo sich das Team Deutschland-Achter auf die WM vorbereitete. Nun steht er zur Wahl zum "Sport-Stipendiat des Jahres 2019".


Johannes, Du hast vergangene Saison in Sport und Studium das Optimum erzielt, besser geht’s nicht, oder?

Wir haben unseren Weltmeistertitel verteidigt und ich habe mein Physikum erfolgreich abgelegt, die Ergebnisse sprechen von einem perfekten Jahr. Aber die Zeit zuvor war bislang die härteste meiner Karriere, sowohl physisch als auch psychisch.

Was meinst Du genau?

In der intensivsten Lernphase stand parallel ein Trainingslager als unmittelbare WM-Vorbereitung an. Wir trainierten unheimlich viel, bei 35 Grad Hitze, auf dem Wasser, auf dem Rad und im Kraftraum. Zwischen den Einheiten hatte ich keine Zeit zum Erholen. Wenn die anderen ihren Mittagsschlaf gemacht haben, habe ich mir eine extra Kanne Kaffee gekocht und gelernt, sechs bis acht Stunden täglich. Ich bin dann zwei Tage früher zur Prüfung abgereist und habe zum Glück gleich im Anschluss erfahren, dass ich bestanden hatte.

Seit 2017 sitzt Johannes Weißenfeld nun bereits im Deutschland-Achter, dem erfolgsverwöhnten Paradeboot des Deutschen Ruderverbands (Foto: Deutschland-Achter GmbH)

So dass Du anschließend entspannt zur WM fahren konntest?

Ich war sehr angespannt. Die Bootsbesetzung war ja die gleiche wie in der Vorsaison, wofür es viel Kritik gab. Wir standen folglich sehr unter Druck. Seit 2017 hatten wir alle Finalrennen gewonnen, sodass Siege von der Öffentlichkeit quasi erwartet werden. Auch man selbst entwickelt den Anspruch. Normal sollte eigentlich sein, dass man versucht, das Beste herauszuholen, und wenn dann andere besser sind, dann ist die eigene Leistung trotzdem okay. Aber plötzlich zählt scheinbar nur noch der Sieg. Von daher war die Titelverteidigung etwas ganz Besonderes. Aber danach fiel dann auch der ganze Druck ab.

Jetzt ist die WM, im August in Linz, nicht mehr allzu weit weg. Spürst Du erneut diesen Druck?

Dieses Jahr haben wir eine andere Besetzung im Boot, zwei neue Leute, das verändert vieles. Letztes Jahr waren wir technisch besser, jetzt sind wir physisch stärker, haben im übertragenen Sinn einen großen Motor, aber die PS muss man erstmal auf die Straße bzw. auf das Wasser bringen.

Anfangs lief es nicht rund, vor der EM im Juni wussten wir nicht, wo wir stehen, umso mehr haben wir uns dann über den Titel gefreut. Und wir haben noch weiteres Potential Richtung WM. Das Problem ist, dass die Leute am Ende nur das Ergebnis sehen, aber nicht, wie jedes Mal von Neuem ein harter Weg im Training gegangen werden muss. Das ist nicht immer cool.

Die Öffentlichkeit sieht den Achter auch nur als großes Ganzes, Ihr als Individuen seid in der Regel nicht bekannt. Stört Dich das?

Ich finde es total gut, dass ich nicht wie Fußballer im Rampenlicht stehe und bin gerne Teil der Mannschaft. Jedes Mitglied muss sich anpassen, das Ego zurückstellen. Nur dann wird aus acht bzw. neun Individuen eine Einheit. Und man muss sich selbst für ersetzbar halten. Vielleicht bin ich im nächsten Jahr wieder raus? Ich hoffe es natürlich nicht und werde im Training alles dafür tun, dass ich nächstes Jahr bei den Olympischen Spielen in Tokio im Boot sitze. Dafür brenne ich.

2016 bist Du als Ersatzmann zu den Olympischen Spielen gefahren…

Die Erinnerung an Rio tut noch immer weh. Nur zusehen zu können, hat mich sehr traurig gemacht. Aber wer weiß, wozu es gut war, es hat mich auf jeden Fall motiviert, an meinen Stärken und Schwächen zu arbeiten. Konstant gut zu sein, kostet sehr viel Kraft. Man muss das Talent haben, beim Siegen hungrig zu bleiben, den Blick wieder auf das nächste Ziel zu richten. Insofern kann man aus Niederlagen vielleicht mehr schöpfen als aus Siegen. Das nehme ich auch ins Leben abseits des Sports mit. Als ich das Physikum im ersten Versuch wegen dreier (!) Punkte nicht bestanden hatte, hat mich das umso mehr motiviert. Zwei Wochen später habe ich wieder angefangen zu lernen, während Kommilitonen, die durchgefallen waren, teilweise komplett demotiviert waren. Sicherlich hilft es auch, dass ich mit Sport und Studium für jedes Thema einen Ausgleich habe. Niederschläge auf der einen Seite können durch Erfolgserlebnisse auf der anderen Seite kompensiert werden.

Wäre aber insbesondere in Vorbereitung auf die Olympischen Spiele die ausschließliche Konzentration auf den Sport nicht wünschenswert?

Ich hatte nach dem Abitur für ein Jahr eine Sportförderstelle bei der Bundeswehr, habe damals mehr oder weniger nur den Körper, aber nicht den Geist trainiert. Dadurch bin ich nicht besser geworden. Es klingt vielleicht komisch, aber ich hatte trotz des hohen Trainingspensums zu viel Zeit. Erst als ich angefangen habe zu studieren, konnte ich meine Leistung wieder steigern. Ich wurde effizienter, weil ich die zur Verfügung stehende Zeit effektiv genutzt habe. Für mich ist die Duale Karriere ein Geschenk. Und ein Privileg zugleich. Denn man muss sie sich auch leisten können. Ohne die Sporthilfe wäre ich nicht aus der Bundeswehr ausgetreten. Die finanzielle Unterstützung, insbesondere auch durch das Deutsche Bank Sport-Stipendium für Studenten wie mich, ist die Voraussetzung, sich diese Freiheit nehmen zu können. Dafür bin ich sehr dankbar.


Steckbrief Johannes Weißenfeld

Geburtstag 19. August 1994 in Herdecke/Nordrhein-Westfalen
Sportart Rudern / Deutschland-Achter
Wohnort Dortmund
Verein RC Westfalen Herdecke
Größte Erfolge Weltmeister 2017 und 2018, Europameister 2017, 2018, 2019
Studium Humanmedizin
Universität Ruhr-Universität Bochum


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