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Hockeynationalspielerin Hannah Gablac: „Während Corona im Krankenhaus zu arbeiten, hat für mich sehr Vieles relativiert“

Die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Tokio hat Hockeyspielerin Hannah Gablac knapp verpasst – nach der bitteren Nichtnominierung für den finalen Olympia-Kader blickt die 104-malige Nationalspielerin dennoch optimistisch in die Zukunft. Nach ihrem Praktischen Jahr mitten in der Corona-Pandemie und dem erfolgreich bestandenen dritten Staatsexamen an der Universität Hamburg darf sich die 26-Jährige nun offiziell Ärztin nennen – und ist um einige Erfahrungen fürs Leben reicher geworden.


Hannah, wie hast Du die Corona-Zeit und die Verschiebung der Olympischen Spiele erlebt?

Für mich persönlich war die Olympia-Verschiebung mehr Vor- als Nachteil. Nach dem Ursprungsplan hätte ich mein drittes Staatsexamen erst nach den Spielen von Tokio gehabt und das „PJ“, das Praktische Jahr, auf zwei Jahre gestreckt, um den zeitlichen Anforderungen der beiden Fronten gerecht werden zu können. Durch die Verschiebung konnte ich nun „nur“ das PJ machen, direkt das Staatsexamen ablegen und mein Studium somit in Regelstudienzeit noch während der Corona-Zeit beenden – und hatte damit den Kopf und meine ganze Energie für die Vorbereitung auf Olympia 2021 zur Verfügung.

Leider wirst Du jedoch nicht nach Tokio fahren, weil sich der Bundestrainer letztlich für andere Spielerinnen entschieden hat. Was hat die Nichtnominierung mit Dir gemacht?

Es war der absolute Alptraum, zumal es mir vor Rio 2016 ja schon ähnlich ergangen ist. Es hat sich zunächst einmal sehr stark nach Scheitern angefühlt. Ich hänge sehr stark an diesem Team, mit vielen Mädels spiele ich zusammen, seit wir 14 Jahre alt waren, seit 2013 bin ich Teil der A-Nationalmannschaft – die „Danas“ sind für mich wie eine Familie. Das Ziel Olympia hat mich immer angetrieben und nach jedem Rückschlag zum Weitermachen motiviert. Jetzt diesen Lebenstraum wieder nicht erleben zu dürfen, das war und ist schon sehr hart für mich.

Kannst Du dennoch etwas Positives daraus ziehen?

Mit ein paar Tagen Abstand habe ich realisiert: Es geht beim „Projekt Olympia“ um so viel mehr als nur um die Teilnahme an diesem Turnier an sich. Auf dem Weg dorthin entstehen wahre Freundschaften, man sammelt Erfahrungen fürs Leben, erfährt ehrliche Emotionen und lernt viele verschiedene Menschen und vor allem sich selbst in den unterschiedlichsten Situationen und Ausnahmezuständen kennen.

Der Leistungssport hat mir so unglaublich viel gegeben – vielleicht keine olympische Medaille, aber viele Dinge, die man sich nicht um den Hals hängen oder in den Lebenslauf schreiben kann. Dafür bin ich unendlich dankbar.

Das klingt ein bisschen nach Karriereende?

Nein, das lasse ich mir bewusst noch offen. Mal schauen, wie es mit dem Job wird, ich habe mich ab Herbst auf Krankenhausstellen in der Chirurgie beworben. Es macht mir immer noch sehr viel Spaß, mit der Mannschaft auf dem Platz zu stehen. Das ist ein großes Privileg.

Leistungssport und Medizinstudium - ein Balanceakt, den die Feldhockeyspielerin mit bravour meistert. (Foto: Deutsche Bank)
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Vor allem im Vergleich zum Berufsalltag im Krankenhaus. Was hast Du aus Deiner Zeit dort mitgenommen – gerade in Zeiten von Corona?

Auf der Lungenfachstation, der Pneumologie, habe ich Menschen erlebt, die schwer an Corona erkrankt waren und sich über Monate hinweg wieder ans selbstständige Atmen gewöhnen mussten. Wie sie gelitten haben, wie unendlich einsam sie waren und wie machtlos man selbst dagegen war. Das war einfach krass. Das relativiert Vieles: wenn zum Beispiel beim Training mal wieder die Hantelstange zu schwer ist oder im Sprint ein paar zehntel Sekunden fehlen. Das erscheint auf einmal ziemlich unwichtig.

 

Wie meinst Du das genau?

Auf dem Spielfeld denkt man oft: Alles was zählt, ist das nächste Tor zu schießen, das Spiel zu gewinnen oder sich für Olympia zu qualifizieren. In seinem persönlichen kleinen Kosmos ist das im Moment das allerwichtigste – und man vergisst die Welt da draußen, die sich eigentlich gar nicht nur um einen selbst dreht. Ich habe nach dem PJ in einem Impfzentrum gearbeitet und Menschen geimpft, die manchmal vor Glück Tränen in den Augen hatten. Da habe ich oft wiederum gedacht: Das ist es, worum es geht. Ich war mein Leben lang immer „die Sportlerin“ und habe diese Rolle auch gut ausgefüllt. Es war krass, das mal so richtig zu fühlen, dass Sport – bei aller Liebe – echt nicht alles ist.

Während der vergangenen sechs, sieben Jahr dürfte es neben Sport und Studium zumindest nicht allzu viel anderes bei Dir gegeben haben.

Es war schon anstrengend. Mir fällt das Lernen zwar relativ leicht, was in der Medizin ein Vorteil ist. Aber einfach so zugeflogen ist mir nichts, weder im Sport noch im Studium. Ich habe phasenweise nur wenig anderes gemacht als gelernt und trainiert – vieles ist deswegen hinten runtergefallen. Irgendwie hat mir das meistens aber nichts ausgemacht, da ich für beides eine große intrinsische Leidenschaft habe, die antreibt. Ohne diese Begeisterung geht es langfristig auch nicht, denn dieser Lebensstil fordert seine Opfer: Man steht früh auf, geht spät ins Bett und muss kontinuierlich dranbleiben und wirklich effizient sein. Ohne der ehrlichen Bereitschaft dazu, wird das schnell zur Qual. Ohne die Unterstützung der Sporthilfe und das Deutsche Bank Sport-Stipendium wäre das nicht möglich gewesen.

Wenn Du nun auf die Wahl „Sport-Stipendiat:in des Jahres“ blickst: Wieso bist Du dabei?

Ich möchte zeigen, dass man sich bei der Frage „Leistungssport oder Studium?“ nicht für eine Seite entscheiden muss. Beides ist möglich und es ist ein Privileg, sich diese Frage überhaupt stellen zu dürfen. Ich selbst habe, vor allem zu Beginn und bei Rückschlägen, auch oft daran gezweifelt; mich nicht nur einmal gefragt, ob dieser Weg tatsächlich der richtige ist oder ob all die Mühen am Ende umsonst sein werden. Ich hätte mir in solchen Momenten gewünscht, jemand in der gleichen Situation hätte mir Mut gemacht und diese Bedenken genommen. Mein Eindruck ist, dass vor allem bei den jungen Mädels heutzutage nur noch Wenige diese Kombination wagen und stattdessen mit dem Sport aufhören, wenn die Garantie auf Spaß oder Erfolg nicht da ist. Das kann ich verstehen, finde es aber total schade. Und mit meiner Story will ich zeigen, dass auch Rückschläge dazu gehören und nicht immer direkt etwas Schlechtes sind – im Alltag wie im Sport.

Wie gesagt, im „echten Leben“ relativiert sich Vieles. Aber es geht überall immer weiter. Steckt man Mühe und Herzblut in Dinge, die einen begeistern, ist es nie umsonst.

(Veröffentlicht am 28.06.2021)


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STECKBRIEF HANNAH GABLAC

Geburtsdatum 25. Februar 1996 in Rosenheim
Sportart Hockey
Wohnort Hamburg
Verein Club an der Alster
Größte Erfolge Europameisterin 2013, WM-Fünfte 2018
Studium Humanmedizin
Universität Universität Hamburg

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