Foto: Libermenta Kliniken

Was macht eigentlich… Petra Dallmann?

Die Schwimmerin gewann mit der Freistilstaffel 2001 den Weltmeistertitel, mehrere Europameistertitel und die Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen 2004. Nach neun Jahren Förderung wurde sie 2011 Mitglied im Sporthilfe Alumni-Club. Parallel zum Spitzensport studierte sie Medizin, heute ist die dreifache Mutter Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie.


Petra, Du hast Dich nach dem Medizinstudium für das Fach Psychiatrie und Psychotherapie entschieden, warum? 

An dem Fach fasziniert mich, dass jede Geschichte anders ist und man sehr intensiv mit den Patienten zusammenarbeitet. Am Anfang dachte ich auch, es ist mal was ganz anderes als Leistungssport. Das hat sich dann aber in den letzten Jahren völlig geändert, ich habe den Leistungssport mit der Psychiatrie und Psychotherapie wieder zusammengeführt. Was vor zehn Jahren als kleines Hobby außerhalb der Arbeitszeit mit einer Sportlersprechstunde begann, füllt inzwischen meine ganze Wochenarbeitszeit aus. Mittlerweile habe ich drei Arbeitsplätze, die alle mit Sport und Psychiatrie zu tun haben.

Was machst Du genau? 

Seit September 2022 arbeite ich als Chefärztin in der Libermenta Klinik Schloss Freudental bei Stuttgart. Dort leite ich die Abteilung Sportpsychiatrie, die Leistungssportlern mit psychischen Erkrankungen eine speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene stationäre bzw. teilstationäre Behandlung bietet. Darüber hinaus bin ich einen Tag in der Woche am OSP in Heidelberg und mache dort Psychotherapie. Und last but not least habe ich mit der früheren Kanurennsportlerin Brit Wilsdorf aus Berlin, ebenfalls Psychotherapeutin, die Internetplattform athletes-in-mind.de aufgebaut, eine digitale Anlaufstelle für seelische Gesundheit im Leistungssport.

Das macht den Eindruck, es besteht ein großer Bedarf. Sind Leistungssportler:innen besonders gefährdet, psychisch zu erkranken?

Sportler werden ebenso häufig wie der Rest der Bevölkerung psychisch krank.

Von daher gibt es dort einen Bedarf wie sonst überall auch, lediglich bei Essstörungen sehen wir eine höhere Zahl. Dies und Depressionen sind die häufigsten Erkrankungen, warum die Athleten zu mir kommen. Dahinter, aber das sind deutlich weniger, sind es Angststörungen, posttraumatische Belastungsstörungen und ADHS.

Früher waren psychische Erkrankungen ein Tabu-Thema, hat sich diesbezüglich etwas in letzter Zeit geändert? 

Es fällt vielen zwar noch schwer, mit der gleichen Selbstverständlichkeit über eine Depression wie über einen Kreuzbandriss zu sprechen.

Aber es hat sich zuletzt tatsächlich richtig viel getan, weil sich nicht nur in Deutschland, sondern vor allem international viele bekannte Athleten zu psychischen Erkrankungen öffentlich geäußert haben. Es ist also kein Tabu-Thema mehr. Und wenn man spezifisch niedrigschwellige Angebote schafft, dann melden sich die Sportler auch und sind sehr dankbar für die Unterstützung.

Petra Dallmann (Mitte, neben Sandra Völker, links, und Antje Buschschulte, rechts) wurde neun Jahre von der Sporthilfe gefördert und trat anschließend dem Sporthilfe Alumni-Club bei, heute arbeitet sie als Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und hat mit "ATHLETES IN MIND" ein digitales Angebot zu mentaler Gesundheit für Leistungssportler:innen geschaffen. (Foto: picture alliance)

Du hast eben Deine Initiative „ATHLETES IN MIND“ angesprochen. Was steckt dahinter?  

International gibt es Angebote vom IOC, auch in Australien, Kanada, in den USA, sogar die NBA hat eine eigene Internetseite zum Thema „Mental Health“. In Deutschland fehlte bisher eine Informationsplattform. Deshalb haben wir eine Seite voller Informationen und Tipps zu mentaler Gesundheit geschaffen, über die wir auch eine unkomplizierte Beratung anbieten.

Wenn Athlet:innen auf dieses Angebot zugreifen wollen, wie findet die Kontaktaufnahme statt? 

Die Athleten schreiben uns per Email an und wir vereinbaren dann einen Telefon-, Video- oder Vor-Ort-Termin, so dass sie uns ihre Probleme schildern können. Mit Hilfe unseres Netzwerkes und mentalgestärkt versuchen wir bei Bedarf Unterstützung wohnortnah zu finden. Dieses Beratungsangebot ist für die Athleten kostenfrei. 

Wie groß ist die Nachfrage, könnt Ihr das zu zweit neben Euren anderen Jobs abdecken? 

Brit und ich haben hier beide eine 10-Prozent-Stelle, das ist nicht viel, hat aber bisher gepasst, weil wir unter den Sportlern noch nicht so bekannt sind. Aber das zu ändern, ist gerade unser großes Anliegen – und dann werden wir uns erweitern müssen. Unser Anspruch ist eine höchste Expertise, also klinisch ausgebildete Ärzte und Psychotherapeuten, die Erfahrung haben und auch einen Sporthintergrund mitbringen. Von daher möchte ich gerne alle Kollegen aus dem Sporthilfe Alumni-Club und darüber hinaus herzlich dazu einladen, sich bei Interesse bei uns zu melden!


Foto: Libermenta Kliniken

Petra Dallmann (Jahrgang 1978)

Sportart: Schwimmen

Größte Erfolge:

Weltmeisterin 2001

Olympia-Bronze 2004

viermalige Europameisterin mit der Freistilstaffel

Förderung: Neun Jahre Sporthilfe-gefördert, heute Mitglied im Sporthilfe Alumni-Club

Beruf: Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie - u.a. als Chefärztin in der Libermenta Klinik Schloss Freudental bei Stuttgart - und Mitgründerin der Plattform athletes-in-mind.de


(Veröffentlicht am 27.12.2023)

Erschienen im Sporthilfe Magazin - Zur kompletten Ausgabe (2.2023)



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