Para-Biathlet Steffen Lehmker: Flachlandindianer

Steffen Lehmker ist erfolgreicher Para-Biathlet und gewann bei seinen ersten Paralympischen Spielen 2018 bereits Bronze. Als Niedersachse war sein Weg in den Wintersport jedoch alles andere als vorgezeichnet.


Es gibt diese romantisch-verklärten Geschichten von Kindern aus den Bergen, die den Schulweg in der Zeit von September bis April quasi nur mit Skiern bewältigen konnten und später „ganz logisch“ zu erfolgreichen Wintersportlern wurden. Und es gibt die von Athleten wie Steffen Lehmker, der momentan auch wieder zur Schule muss, zum Referendariat nach Stade nämlich. Das liegt zwischen Hamburg und Bremerhaven und ist damit so etwas wie die schulbuchmäßige Definition norddeutschen Flachlands. Der Niedersachse Lehmker kam mit etwas Verzögerung trotzdem zum Wintersport – und krönte seine Spätberufung bereits mit einer Bronze-Medaille bei den Paralympischen Winterspielen 2018 in Pyeongchang. Dass der 30-Jährige, der seinen rechten Arm wegen einer Plexus parese von Geburt an nur eingeschränkt bewegen kann, Skilangläufer und Biathlet wurde, liegt zu einem Gutteil an seiner Familie. Die Grundlage schufen die biathlonbegeisterten Eltern, die ihre Kinder zu Weltcups nach Antholz, an den Holmenkollen und nach Oberhof mitnahmen. Unter dem Eindruck persönlicher Begegnungen mit Ole Einar Bjørndalen und Sven Fischer entwickelte der kleine Steffen eine Leidenschaft, die im Teenager-Alter allerdings wieder etwas abebbte.

Ziel erreicht: Spätstarter Steffen Lehmker bei den Paralympics 2018 (Foto: picture alliance)

„Urlaub mit den Eltern war in dieser Zeit ziemlich uncool. Da war ich einige Jahre dann gar nicht auf Loipen unterwegs“, erinnert sich Lehmker. Erst 2014 erwachte die Lust aufs Neue, diesmal durch den Bruder: Der meinte während einer TV-Übertragung der Paralympischen Winterspiele in Sotschi mehr im Spaß: „Steffen, das kriegst du doch auch hin!“ Noch im Sommer 2014 meldete Lehmker sich beim WSC Clausthal-Zellerfeld an, nahm mit bereits 25 Jahren an einem Nachwuchslehrgang im badischen Freiburg teil. Die Ausdauer-Grundlagen hatte der Marathonläufer bereits, gefeilt werden musste vor allem an der Skitechnik.

In Pyeongchang gewinnt Steffen Lehmker seine erste paralympische Medaille (Foto: picture alliance)

Das fiel ihm weniger schwer als die Verständigung mit den Süddeutschen. „Es kommt immer noch vor, dass ich nicht alles verstehe und nachfragen muss“, lacht der Exot aus dem Norden, der sich in die Wintersport-Familie sonst aber „gut integriert“ sieht. Sicher auch, weil er sich mit Leistung und Fleiß Respekt erarbeitete, schnell Fortschritte machte. „Dass ich dann so bei der Stange bleibe, damit hätte ich auch nicht gerechnet“, sagt der angehende Berufsschullehrer heute. Der bisherige Gipfel: Die Teilnahme an den Paralympics 2018, nur vier Jahre nach dem gemeinsamen Sofa-Erlebnis mit dem Bruder und gleich gekrönt mit Edelmetall. „Das ist schon ein bisschen verrückt“, sagt der Athlet, der für den gleichen niedersächsischen Skiclub startet wie Biathlet Arnd Peiffer. Man kennt sich, tauscht sich aus, trainiert zuweilen auch einmal gemeinsam im Harz. Selbst der ist jedoch über zwei Stunden Autofahrt von Lehmkers Zuhause entfernt. Ein Wohnortwechsel stand trotzdem nie ernsthaft zur Debatte, zu verwurzelt sind er und seine Frau in ihrer schneearmen Heimat. Einen Vorteil habe sie aber, die strenge Rationierung: „Schnee zu sehen“, schwärmt Lehmker, „löst immer noch etwas in mir aus. Auf Skiern zu stehen ist für mich nach wie vor ein echtes Erlebnis.“

(Veröffentlicht am 21.01.2020)



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