Die gebürtige Berlinerin gewann bei vier Olympischen Spielen insgesamt fünf Bronze-Medaillen, wurde Welt- und Europameisterin und sammelte bis zu ihrem Karriereende 2008 insgesamt 54 internationale Medaillen. Gemeinsam mit Ehemann Helge Meeuw, ebenfalls früherer Weltklasse-Schwimmer, und den drei Töchtern lebt die promovierte Neurobiologin in Magdeburg, wo sie in der Staatskanzlei arbeitet. Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt kandidierte die 42-Jährige für Bündnis 90/Die Grünen erstmals für einen Sitz im Landtag, verfehlte aber den Einzug ins Parlament.
Antje, wie bewertest Du heute, mit ein paar Tagen Abstand, den Ausgang der Wahl?
Ich muss schon zugeben, dass ich enttäuscht bin vom Wahlergebnis für uns Grüne in Sachsen-Anhalt, da hatten die Umfragen doch sehr viel mehr erhoffen lassen. Ich bin mir aber auch bewusst, dass ganz viele die CDU gewählt haben, damit die AfD nicht gewinnt. Mein persönliches Ergebnis in meinem Wahlkreis war eigentlich ganz gut, aber das hilft nichts, wenn man den nicht gewinnt. Das Positive an der Wahl ist, dass die AfD nur ein Direktmandat geholt hat und die Rechten so ein wenig an Kraft verlieren.
Das Wahlergebnis der AfD bei den vergangenen Landtagswahlen z.B.in Thüringenwar eine Motivation, Dich politisch zu engagieren…
Ganz am Anfang hat man ja gedacht, dass es ein Ausdruck von Protest sei, die AfD zu wählen. Was mich beunruhigt ist, dass es inzwischen eine Stammwählerschaft gibt, durchaus mit einem gewissen Prozentsatz mit einer sehr strengen rechten Überzeugung. Das ist etwas, das ich nur schwer ertrage. Deshalb habe ich mich dazu entschlossen, nicht nur über den Zustand zu meckern, sondern selbst politisch aktiv zu werden und bei den Grünen einzutreten. Damit habe ich mich parteipolitisch geoutet – vorher hatte ich beruflich nach dem Grundsatz gehandelt, meine Arbeit auf einer fachlich neutralen Ebene zu machen.
Du hast es tatsächlich als ein Outing empfunden?
Ein Stück weit ja, da ich in einer Staatskanzlei arbeite, in der die CDU als größte Koalitionspartei dominiert und wo das niemand so erwartet hatte.
Du sprichst Deine Arbeit als Referentin im Staatsdienst an, jetzt wolltest Du in die Politik. Provokant gefragt: Siehst Du zu viele Missstände und willst Dich deshalb politisch engagieren?
Ich hätte tatsächlich gerne ein paar Dinge in Zukunft mitentschieden. Bisher habe ich für die politische Ebene Fakten zusammengestellt oder Strategien vorbereitet, gerade auch zum Thema Digitalisierung. Ich würde gerne an einer Stelle mitarbeiten, bei der ich zumindest mitverhandeln kann, wie wir mit bestimmten Themen umgehen und welchen Stellenwert sie haben sollen.
Jetzt hast Du für den Landtag kandidiert, strebst Du als ehemalige Weltmeisterin auch eine Bundestagskandidatur an?
Man soll niemals nie sagen, aber ich lege mein politisches Engagement nicht wie früher meine Karriere im Sport an. Damals habe ich immer gedacht, ich hole das Maximum raus und versuche ganz nach oben zu kommen, aber so ist es jetzt in der Politik nicht. Ich fühle mich Sachsen-Anhalt, wo ich inzwischen schon über die Hälfte meines Lebens verbracht habe, verbunden. Ich arbeite seit zehn Jahren für das Land, jetzt hätte ich gerne mein Fachwissen eingebracht, da ich konkrete Ideen habe, was man verändern kann, speziell im Digitalen. Mir geht es nicht um eine politische Karriere, ich blicke nicht nach Berlin. Zumal ich auch meine Familie nicht komplett hintenanstellen will. Im Bundestagswahlkampf werde ich mich an der ein oder anderen Stelle beteiligen, aber nicht mit dem gleichen Zeitaufwand wie zuletzt, das werde ich nicht schaffen.
Hattet Ihr Deine Kandidatur im „Familienrat“ im Vorfeld diskutiert?
Ja, wir haben natürlich darüber gesprochen, aber vorher weiß man dann doch nicht so genau, was auf einen zukommt. Wir haben jetzt gemerkt, es ist strapaziös, auch weil auf ehrenamtlicher Parteiebene eben viel abends und an Wochenenden stattfindet. Das ist schon nicht so einfach, mit der Familie zu vereinbaren.
Jetzt könnte man sagen, als Spitzensportler:in darf man eigentlich keine Kompromisse machen, wenn man erfolgreich sein will, in einer Demokratie sollte es jedoch die DNA von Politiker:innen sein. Wie passt das zusammen?
Es geht in beiden Fällen nicht ohne Kompromisse. Man arbeitet auch als Einzelsportlerin mit vielen Menschen zusammen, mit Trainingskollegen, Trainer und Verband, um gemeinsam einen Weg finden, der zum Ziel führt. Im Spitzensport strebt das komplette Team nach dem gleichen Ziel, zum Beispiel eine Olympiamedaille zu erreichen. In der Politik will auch Jeder gesellschaftliche Verbesserungen, aber die Ideen, wie das aussehen soll, gehen doch deutlich auseinander. Was beide Felder gemeinsam haben: Man muss langfristig an Projekten arbeiten. Niemand wird von heute auf morgen Olympiasieger. Und in der Politik braucht man auch einen langen Atem. Von daher bin ich da schon ganz gut trainiert.
Man muss langfristig an Projekten arbeiten. Niemand wird von heute auf morgen Olympiasieger. Und in der Politik braucht man auch einen langen Atem.
„Gut trainiert“ ist ein perfektes Stichwort, denn das sind jetzt auch die Athlet:innen, die in wenigen Wochen in Tokio an den Start gehen wollen, aber wohl andere Spiele erleben werden als Du früher.
Mein Sportlerherz blutet. Ich fühle sehr mit den Athlet:innen. Keiner will Spiele vor leeren Rängen und mit wenig Flair und auch nicht gegen den Willen der ausrichtenden Nation. Andererseits ist die Verschiebung auf 2021 für viele schon ein harter Schlag gewesen und es war mit Sicherheit immens schwer, sich ein weiteres Jahr zu motivieren, zumal ohne Wettkämpfe. Eine weitere Verschiebung wäre rein sportlich eine Katastrophe. Ich beneide diejenigen nicht, die hier eine Entscheidung treffen müssen. Denn das ist ein Dilemma, das man kaum auflösen kann.
Wenn die Spiele stattfinden, was erwartest Du von den deutschen Schwimmer:innen in Tokio?
Man sollte sich hüten, zu viel Druck aufzubauen und im Vorfeld nur die Medaillen in den Fokus zu rücken. Für sichere Prognosen fehlt die Breite. Das kann man an den Staffeln ablesen, für die bei den Frauen während meiner Karriere eine Medaille fast immer ein realistisches Ziel war. In der Lage sind wir nicht mehr. Deutschland ist schon länger keine große Schwimmnation mehr, die auf jeden Fall olympische Medaillen gewinnt.
Was muss passieren, dass man da wieder hinkommt?
Sehr viel. Und deshalb will ich auch gar nicht so viel Gewicht auf Medaillen legen. Ich wünsche es mir natürlich, wenn die Spiele stattfinden, dass wir auch Medaillen gewinnen und gerade aus Magdeburger Sicht haben wir da großartige Chancen [mit Florian Wellbrock und Sarah Köhler; Anm. d Red.]. Ich würde mich sehr darüber freuen. Aber es dürfte nicht überlagern, dass man im Schwimmen noch ein paar generelle Aufgaben hat. Und die beginnen bei Kindern, Jugendlichen und ihren Trainer:innen.
Letztens hast Du gefordert, der Verband müsste sich professioneller aufstellen…
Leistungssport ist eine hochprofessionelle Sache. Vielleicht ist es ein hochgegriffener Vergleich, aber niemand würde eine Mondflug-Mission ehrenamtlich in Angriff nehmen. Und ebenso ist eine Olympiamedaille keine Aufgabe, die vom Ehrenamt gemanagt werden kann. Natürlich brauchen wir das Ehrenamt und auch eine entsprechende Anerkennung, weil das die Basis des Sports ist. Aber an der Stelle, wo Spitzensport organisiert und gemanagt wird, kann das durch Ehrenamt nicht geleistet werden. Jetzt wäre es wichtig, die Spitzensportler abzuschirmen, sie nicht mit politischen Diskussionen zu belasten, so dass sie sich in Ruhe auf die Spiele vorbereiten können.
(Veröffentlicht am 09.06.2021)
Erschienen im Sporthilfe-Magazin go!d - Zur kompletten Ausgabe (2/2021)