Die sportliche Karriere von Shorttrackerin Anna Seidel schien fast schon beendet, bevor sie richtig begonnen hatte: 2014 als jüngste Athletin des Team Deutschland am bei den Olympischen Spielen in Sotschi am Start verletzte sie sich 2016 schwer. Mit viel Fleiß und Ehrgeiz aber auch der Unterstützung der Sporthilfe feiert die Spitzensportlerin nun ihr Comeback und gewann zuletzt Bronze bei der Heim-EM in Dresden.
Anna Seidel, Deutschlands beste Shorttrackerin, wird aller Voraussicht nach in Pyeongchang bereits ihre zweiten Olympischen Spiele erleben – nach 2014, als sie mit Jahren damals 15 Jahren das Küken im deutschen Team war.
In den vergangenen vier Jahren ist sie als Persönlichkeit gereift und hat die Höhen und Tiefen einer Sportkarriere erlebt, die zwischenzeitlich schon fast beendet schien. Im Sommer stürzte sie im Training schwer und brach sich den Brustwirbel. Mit ein wenig mehr Pech hätte sie querschnittsgelähmt sein können. Der Traum von den Olympischen Spielen 2018 in Pyeongchang schien in weite Ferne gerückt.
Dabei war die erste Diagnose vermeintlich harmlos: Eine Kompressionsfraktur des 12. Brustwirbels bedeutete für das Energiebündel zwar acht Wochen Sportverzicht, aber nach vier Tagen Krankenhausaufenthalt konnte Anna Seidel aus der Unfallklinik entlassen werden.
Frau Seidel, kommen Sie bitte sofort, und seien Sie vorsichtig.
Auf ein nachträglich veranlasstes MRT folgte allerdings ein alarmierender Anruf aus dem Krankenhaus. Tatsächlich hatte sich herausgestellt, dass die Bänder gerissen waren und sie operiert werden musste. Schon ein Ausrutschen oder ein leichter Verkehrsunfall hätte sie für immer an den Rollstuhl fesseln können.
Vier Schrauben und zwei Stäbe wurden operativ an den Wirbeln befestigt. Obwohl Anna Seidel hart im Nehmen ist, gibt sie zu: „An den Tagen nach der OP hatte ich die schlimmsten Schmerzen, die ich bis jetzt in meinem Leben erlebt habe.“
Von der Deutschen Sporthilfe wurde Anna Seidel, seit 2014 in der Nachwuchselite-Förderung, in den Sonderkader „Come back stronger“ aufgenommen, in dem Athleten während einer längeren Verletzungspause weiter in dem bisherigen Umfang unterstützt werden können.
Rund vier Wochen nach der OP bekam sie grünes Licht für die tägliche Physiotherapie, nach insgesamt sechs Wochen kompletter Pause – für einen Leistungssportler eine unvorstellbar lange Abstinenz – konnte Anna endlich wieder mit leichtem Training „auf dem Land“ beginnen.
29. August 2016: Zehn Wochen nach ihrem Sturz durfte Anna Seidel zum ersten Mal wieder aufs Eis! „Es war so ein tolles Gefühl, endlich wieder Kufen unter den Füßen zu spüren, nachdem ich so lange diesem Moment entgegengefiebert hatte“ und „zusammen mit unserer Psychologin lernte ich, einfach zu laufen und nicht mehr an den Sturz zu denken“.
Der Weg zurück in den internationalen Wettkampfsport dauerte dennoch weitere fünf Monate. Anfang Februar stand dann endlich der erste Wettkampf, der Heimweltcup in Dresden an. „Spaß machte es auf jeden Fall, wieder gegen andere Läufer anzutreten, doch ich merkte, dass ich noch lange nicht wieder in alter Topform war.“
Durch intensives Training kämpfte sie sich zur WM im März 2017, erreichte dort einen 17. Platz, „mit dem ich mehr als zufrieden bin“. Drei Tage nach der WM ließ sich Anna dann noch die Metallschrauben aus ihrem Rücken entfernen. Als sie aus der Narkose aufwachte, „fühlte ich mich irgendwie befreit“.
„Ich bin so glücklich, einen Haken hinter die Saison machen zu können und für die Olympiasaison einen Neustart vor mir zu haben“, lautet ihr Fazit. Die ersten Ergebnisse der neuen Saison stimmen optimistisch: Beim Weltcup Anfang Oktober im niederländischen Dordrecht stellte Anna Seidel einen neuen deutschen Rekord über 1000 Meter auf und erfüllte die Olympianormen über 1000 und 1500 Meter. Sie ist also wieder auf dem Weg, an die Leistungen in der Zeit vor ihrem Unfall anzuknüpfen. Zuletzt gewann sie Bronze bei der Heim-EM in Dresden.
Vielleicht auch deshalb kann sie der Zwangspause auch positives abgewinnen: „Ich konnte die verpasste Zeit der letzten Jahre mit meinen Freunden aufholen.“ Und sie habe gelernt, geduldig zu sein, zu kämpfen und nie aufzugeben. „Auch wenn das ziemlich abgedroschen klingen mag und man das immer wieder hört, doch ‚what doesn’t kill you, makes you stronger‘. Die neun Monate haben mich definitiv als Persönlichkeit stärker gemacht.“
(Veröffentlicht am 28.12.2017, ergänzt am 15. Januar 2018)
*31.03.1998 in Dresden
Größte Erfolge
Bronze Y.O.G. 2016
EM-Dritte 2016
Gefördert seit 2011