Bei der Leichtathletik-Europameisterschaft im August in Berlin kann Kugelstoßerin Christina Schwanitz nach den Triumphen 2014 und 2016 das Triple komplett machen. Erstmals tritt sie als Mutter bei einem internationalen Titelkampf an.
Seit Juli 2017 ist Christina Schwanitz Mutter von Zwillingen (Mädchen und Junge) und muss ihren Beruf der Leistungssportlerin sowohl mit der Planung für das Leben nach der sportlichen Laufbahn als auch mit ihrem Familienleben unter einen Hut bringen.
„Die Kinder sind in der Familie angekommen, die Familie ist im Leistungssport angekommen“, sagt die 1985 geborene Schwanitz, die schon seit fünfzehn Jahren von der Deutschen Sporthilfe gefördert wird, als Mutter aktuell im #comebackstronger-Team. Seit Anfang des Jahres gehen ihr Junge und ihr Mädchen in eine Krippe – und Christina wieder ins Training. „Da hatte ich am Anfang zunächst mal zwei, drei Stunden Zeit fürs Training. Jetzt trainiere ich wieder zweimal am Tag.“
Jeder, der Kinder hat, versteht es richtig zu deuten, wenn die Athletin sagt: „Ich bin megaglücklich, auch mal wieder etwas ganz für mich zu machen.“ Die Kraftwerte seien vergleichbar mit 2015, als sie Weltmeisterin und Siegerin der lukrativen Diamond League wurde. „Jetzt müssen wir technisch arbeiten. Ich bin auf jeden Fall sehr stolz, so schnell wieder wettkampffähig zu sein, auch wenn ich weiß, dass mir die Routine zunächst fehlt.“
Ihre Bestleistung liegt bei 20,77 Metern. Die Wettkampf-Vorbereitung mit Kindern wird anders sein, dessen ist sie sich bewusst. Im Trainingslager in Südtirol im Mai war die ganze Familie mit dabei. „Das Lächeln, die neugierigen Augen, wie sich die Kinder weiterentwickeln, alles macht mir Freude“, sagt Christina.
Die Sportsoldatin, Weltmeisterin 2015, hatte sich noch zum Fachabitur angemeldet, bevor sie wusste, dass sie schwanger war. „Zwei Wochen vor der Entbindung habe ich die letzte Prüfung bestanden. Ich bin so ein Organisationsmensch, sehr strukturiert.“ Das gibt ihr die Zuversicht, auch nach der Rückkehr in den Kugelstoßring alles meistern zu können. „Es war mir schon immer wichtig, Privates und Berufliches zu trennen“, erzählt Christina.
„Jetzt habe ich aber immer das Handy an, um erreichbar zu sein, wenn etwas mit den Kindern sein sollte.“ Es sei eine Herausforderung, sich nicht ständig als Mama zu fühlen und sich selbst dann auf den Sport zu konzentrieren, wenn ein Kind mal weine.
Das große Ziel ist Berlin. An ihren Ambitionen lässt die Athletin keinen Zweifel:
* 24. Dezember 1985 in Dresden
Sporthilfe-gefördert seit 2003
Größte Erfolge: Weltmeisterin 2015, 2-fache Europameisterin
Ich möchte aufs Treppchen, und das EM-Triple wäre das i-Tüpfelchen.
Und dann? „Grob denke ich natürlich auch an die Olympischen Spiele in Tokio 2020. Ich war erst einmal in Japan, Tokio ist eine geile Stadt, das könnten so tolle Spiele werden wie in Rio.“ Sie denkt gerne an Olympia, auch wenn sie in Brasilien nur Rang sechs erreichte.
Trainer Sven Lang hat ja schon Erfahrung mit einem Athleten als Papa (seinem früheren Schützling David Storl), aber eine Athletin mit Zwillingen ist sicher noch mal was anders. „Er schafft es, mich perfekt zu unterstützen“, sagt Christina. „Wir setzen das Training auch mal ganz früh oder spät an, wenn das wegen der Kinderbetreuung nicht anders geht. Diese Flexibilität haben alle aus meinem Team, das läuft sehr gut.“
Der Familien-Alltag hat sich eingespielt. Ihr Mann Tomas lässt sie nachts schlafen, wenn Sohn oder Tochter doch mal wach sind. Gegen 5.30 Uhr beginnt der Tag mit Frühstück. Danach bringt sie die Kleinen in die Krippe, geht zum Training und holt sie später wieder ab. In Absprache mit ihrem Mann, der beruflich öfter unterwegs ist, steht am Nachmittag oder Abend die zweite Einheit auf dem Programm.
Ihren letzten Wettkampf in einem Meisterschaftswettbewerb vor der Geburt hat Schwanitz im Februar 2017 bestritten. Damals war sie schon schwanger, als sie in Leipzig Deutsche Hallenmeisterin wurde.
Ihr Tag X in Berlin: 7. August Qualifikation, 8. August Finale.
(Autor: Jörg Hahn / Veröffentlicht am 10.07.2018)