Victoria Stirnemann wird seit vergangenem Sommer Sporthilfe-gefördert und ist auf dem besten Weg, ihrer Mutter nachzueifern: Gunda Niemann-Stirnemann, dreimalige Olympiasiegerin, 19-malige Weltmeisterin und 98-malige Weltcup-Siegerin - eine Legende des Eisschnelllaufens.
Bis zum 24. Mai wird es nicht ganz klappen – während der Saison bleibt einfach zu wenig Zeit für Theorie- und Fahrstunden. Aber auch wenn Victoria Stirnemann ihren Führerschein nicht direkt an ihrem 17. Geburtstag in den Händen hält, auf das begleitete Fahren freut sie sich. Und auch auf die Strecke: Es dürften vorwiegend die 5 Autokilometer zum Training sein, bei der sie mit der Mama auf dem Beifahrersitz das Steuer übernehmen wird – einer der Vorteile, wenn die Mutter auch die Trainerin ist.
Die Mutter heißt Gunda Niemann-Stirnemann und ist als dreimalige Olympiasiegerin, 19-malige Weltmeisterin und 98-malige Weltcup-Siegerin eine Legende des Eisschnelllaufens. Tochter Victoria, seit vergangenem Sommer Sporthilfe-gefördert, ist auf dem besten Weg, ihr nachzueifern, sie gilt in ihren jungen Jahren als großes deutsches Eisschnelllauftalent. Dabei hat sie heute noch nicht einmal das Alter erreicht, in dem ihre Mutter überhaupt mit dem Eisschnelllaufen begonnen hatte – Gunda wechselte erst mit 17 von der Tartanbahn aufs Eis. „Schon deshalb kann man uns eigentlich nicht miteinander vergleichen“, sagt Victoria. Auch sie hat in der Jugend Leichtathletik ausprobiert, ebenso Judo. Dass sie einmal in die Fußstapfen ihrer Mutter tritt, wollten die Eltern zunächst verhindern, um gar nicht erst Vergleiche aufkommen zu lassen. Doch die Tochter, ein Einzelkind, sah in der Halle die eislaufenden Kinder und nervte ihre Eltern so lange, bis diese endlich ihr Okay gaben.
Mit den Kufen unter den Füßen hatte das blonde Mädchen zunächst seine Probleme und machte deshalb häufiger unsanfte Bekanntschaft mit dem harten Eis. Wenn man Victoria heute mit gut 50 Kilometern pro Stunde über die Bahn fliegen sieht, ist das nur noch schwer vorstellbar. In diesem Winter nahm sie als junger Jahrgang erstmals an der Junioren-WM teil und wurde dort Siebte im Vierkampf. In der Gesamtwertung des Junior-Weltcups belegte sie über ihre Lieblingsstrecke 1500 Meter Rang drei – vor vielen älteren Athletinnen. „Es läuft momentan ziemlich gut“, kommentiert Victoria bescheiden. Und sie will noch weiterkommen, ist nun Profisportlerin. Die Sportschule in Erfurt schloss sie vergangenen Sommer mit der mittleren Reife ab, startete jüngst ihre Ausbildung bei der Bundespolizei.
Am Chiemsee, fast 500 Kilometer entfernt von zu Hause, von ihrem Hund und dem Elternhaus. „Zu Hause“, das ist dort, wo die Trainingsstätte seit 2001 „Gunda-Niemann-Stirnemann-Halle“ heißt. Victoria ist Jahrgang 2002, sie kennt es nicht anders und sieht den großen Namen der Mutter weniger als Verpflichtung denn als Ansporn, „eines Tages vielleicht genauso gut zu werden“. Vorbilder gibt es jedenfalls reichlich: Früher trainierte sie gelegentlich mit der Gruppe von Claudia Pechstein, fuhr mit der fünfmaligen Olympiasiegerin auch ins Trainingslager.
Seit zwei Jahren wird sie nun von Mutter Gunda gecoacht, selbst von 1991 bis 2004 Sporthilfe-gefördert. Man hat sich auf einen Deal geeinigt: „Zu Hause ist sie die Mama, in der Eishalle die Trainerin. Das klappt gut“, sagt Victoria. So gut, dass es beim Abendessen im Hause Stirnemann auch noch andere Themen gibt als Eisschnelllauf.
Zum Beispiel die Reisepläne der sympathischen 16-Jährigen, die neugierig auf neue Orte und Länder ist. Der Sport hat sie in den vergangenen Monaten unter anderem nach Finnland, Italien und die Niederlande gebracht. Im kommenden Jahr stehen die Olympischen Jugendspiele in ihrer zweiten Heimat, der Schweiz, an, dem Geburtsland ihres Vaters. Die Eisschnelllaufwettbewerbe finden in St. Moritz statt, auf Natureis. Und 2022 führt sie der Sport vielleicht nach Asien, schließlich finden die Olympischen Winterspiele dann in Peking statt. Noch ein großer Traum für die junge Eisschnellläuferin – aber wie schnell es im Eisschnelllauf gehen kann, weiß ihre Mutter als sportliche Spätstarterin ja am allerbesten.
(Veröffentlicht am 28.03.2019)