Auf neuen Pfaden

Marc Zwiebler war viele Jahre das Aushängeschild des deutschen Badmintonsports. Nach dem der Bonner im August 2017 seine internationalen Karriere beendet hat, beginnt für ihn nun ein neuer Lebensabschnitt.


In Asien ist Marc Zwiebler ein Star. Dort, wo regelmäßig 60, 70 oder auch 80 Millionen Menschen Badminton-Spiele im Fernsehen verfolgen, wird Deutschlands überragender Herreneinzelspieler des letzten Jahrzehnts auf der Straße erkannt. In China, Indien, Malaysia oder Indonesien hätte er heute finanziell ausgesorgt. Vielleicht würde er es jetzt, nach dem internationalen Karriereende, seinen asiatischen Badmintonfreunden gleich tun und eine Badminton-Akademie eröffnen. Eine, vor dem die Kinder und Jugendlichen Schlange stehen, und für die deren Eltern bereit sind, viel Geld zu zahlen. In den Badminton-verrückten Ländern Asiens ist die Sportart ein Weg zu sozialem Aufstieg. Diejenigen, die es an die Weltspitze schaffen, werden in ihren Ländern wie Popstars verehrt.

Marc Zwiebler hat es in die Weltspitze geschafft. Ein Popstar ist er in Deutschland trotzdem nicht. Dabei war er der erste Deutsche überhaupt, der in der Weltrangliste unter den Top10 stand. Er wurde 2012 Einzel-Europameister und führte 2013 das deutsche Team zum sensationellen Triumph bei der Mannschafts-EM. Zwiebler stand in zwei Finals der hochrangigen „Superseries-Turniere“, die mit Grand Slam-Turnieren im Tennis gleichzusetzen sind, und erreichte das Halbfinale bei den traditionellen „All-England“, dem „Wimbledon des Badmintons“. Dass Zwiebler trotz all seiner Erfolge kein „Boris Becker des Badminton“ wurde, ist wohl dem Umstand zuzuschreiben, dass Badminton als Randsportart so gut wie keine Fernsehpräsenz hat.

Ich habe mich nie als etwas Besonderes gesehen, nur weil ich gut Badminton spielen kann. Im Gegenteil, ich bin froh und glücklich, dass ich mein Hobby zum Beruf machen durfte.

Von seinen insgesamt fast 550 Spielen als Profi hat er mehr als 350 gewonnen. Als Herreneinzelspieler war er das Aushängeschild des Deutschen Badminton-Verbandes, jedoch fernab jeglicher Star-Allüren. Auch wenn er Badminton in den letzten Jahren als Profi ausgeübt hat und sich keine Sorgen machen musste, wie er beispielsweise seine Miete bezahlen kann, sei es „monetär nicht immer das Interessanteste gewesen, Badminton zu spielen“, sagte Zwiebler zuletzt im Deutschlandfunk. „Aber die vielen Reisen und Erfahrungen, die Einblicke in unterschiedliche Kulturen, die will ich für kein Geld der Welt missen.“

Not-OP an der Bandscheibe

Marc Zwiebler hat die Höhen und die Tiefen des Leistungssports am eigenen Leib erfahren. Mit Anfang 20 wäre seine Karriere beinahe schon beendet gewesen. Er war gerade zum ersten Mal Deutscher Meister geworden und für die ersten großen Turniere nominiert. Eine Chance, die er sich nicht entgehen lassen wollte – trotz massiver Rückenschmerzen, die ihn stark beeinträchtigten. Und das mehr und mehr nicht nur beim Sport, sondern auch im Alltag. Irgendwann konnte er nicht mehr schmerzfrei gehen, stehen oder liegen, wusste monatelang nicht einmal, wie er jemals wieder studieren, geschweige denn würde arbeiten können. Badminton hatte er zu jener Zeit schon mehr oder weniger ad acta gelegt. Erst eine Not-OP an der Bandscheibe Ende 2006 brachte die Wende. Deshalb unterteilt Zwiebler auch seine Karriere in die Zeit vor und nach der OP.

Mein größter Erfolg war sicherlich der EM-Titel 2012. Aber mein schönstes Erlebnis als Badmintonspieler war der Moment, als ich in Peking auf‘s Feld gegangen bin. Das war ein unbeschreibliches Gefühl.

„Ich war immer sehr talentiert, aber auch faul“, blickt der Jugend-Europameister von 2003 heute selbstkritisch zurück. Krafttraining, Physiotherapie oder Dehnen hatte er bis dato nicht so ernst genommen. Erst nach dem Bandscheibenvorfall verinnerlichte er, dass Spitzen-Badminton nicht nur Spaß, sondern sehr viel harte Arbeit ist. Dies war die Basis für seine weitere Karriere und sein erstaunliches Comeback: Trotz eineinhalb Jahren Wettkampf-Pause qualifizierte er sich 2008 sensationell für die Olympischen Spiele.

Familie und Freunden etwas zurück geben

In Zukunft will sich Zwiebler nun vermehrt von außerhalb des Courts einbringen. Seit Jahren ist er Athletensprecher im deutschen Verband, im Mai ist er zudem in die Athletenkommission des Weltverbandes BWF gewählt worden. „Sportpolitik ist für Athleten oft nicht nachvollziehbar, aber ich mische mich da lieber ein, als zu meckern“, erklärt er seine Beweggründe. Paris, London und Dubai sind drei der kommenden Stationen, die er in seiner Funktion als Athletensprecher in der nächsten Zeit anfliegt – von Bonn aus.


Marc Zwiebler - Badminton

Größte Erfolge

  • Europameister 2012
  • Team-Europameister 2013
  • EM-Bronze 2010 und 2016
  • Finalist Denmark Open 2009 und Indonesia Open 2013
  • Halbfinale All-England 2011
  • Halbfinale Indonesia Open 2015
  • Sieger Canada Open 2011
  • Finalist Swiss Open 2016
  • 9 x Deutscher Meister im Herreneinzel
  • Jugend-Europameister 2003

Denn Zwiebler ist in seine Heimatstadt zurückgezogen. Sein dortiges soziales Umfeld hatte unter der Leistungssportkarriere gelitten. Unzählige Geburtstage, aber auch Hochzeiten und selbst Beerdigungen hat er aufgrund der Wettkampfreisen verpasst. Jetzt sei es an der Zeit, seiner Familie und seinen Freunden etwas zurück zu geben – auch wenn es ihn als Badminton-Weltenbummler bereits wieder jucke, in eine größere Stadt zu ziehen. Doch auch die berufliche Karriere wird ihn in der nächsten Zeit an Bonn binden. Mit einem Bachelorabschluss in BWL hat er bereits während dem Sport den Grundstein dafür gelegt, studiert aktuell im Master und ist als Mitgeschäftsführer in einer Bonner Unternehmensberatung im Recruiting-Bereich eingestiegen.

Das ungute Gefühl bei der Frage, wie es nach dem Sport weitergeht, scheint verflogen. „Das ist die Schwierigkeit oder auch die große Kunst, im Berufsleben etwas zu finden, was einem auch nur annähernd so viel Spaß macht und einen erfüllt wie der Sport.“

Der Ansatz der Deutschen Sporthilfe, mit der Idee der dualen Karriereförderung, mit ihren Programmen, dem Netzwerk und Angeboten, habe ihm einen großen Teil dieser Angst genommen.

Das Wissen, dass ich in der Sporthilfe Ansprechpartner habe, die sich um mich kümmern, wenn ich ein Problem habe – das war mir noch weit wichtiger als die finanzielle Förderung.

Marc Zwiebler - Badminton

Von daher war er froh, dass er über das Sporthilfe-Programm „Sprungbrett Zukunft“ mit Oliver Wagner, Geschäftsführer von Eurowings, einen Mentor an die Seite gestellt bekommen hat, mit dem er interessante Gespräche führen und sich austauschen kann. Das habe ihn auch auf der persönlichen Ebene weitergebracht. Und auch jetzt, in der Übergangsphase vom Sport in den Beruf, hoffe er, noch von dem einen oder anderen Angebot in der Nachaktiven-Förderung der Sporthilfe profitieren zu können.

Dem Jungunternehmer Zwiebler ist es aber auch wichtig, etwas zurückgeben zu können. Wie seine Eltern - selbst ehemals erfolgreiche und von der Sporthilfe geförderte Athleten - wird er deshalb Mitglied im Sporthilfe Alumni-Club. Insbesondere aber will er sein persönliches Netzwerk nutzen und Menschen motivieren, sich im Sport zu engagieren, sei es als Mentor oder Sponsor. „Denn ich will natürlich, dass der Sport in Deutschland auch weiterhin gefördert wird.“

 

(Veröffentlicht am 23. November 2017)

Marc Zwiebler - Badminton

Marc Zwiebler

Sporthilfe-gefördert von 2001 bis 2017, u.a. in der Nachwuchselite-Förderung und über das Lufthansa-Patenschaftsprogramm sowie mit dem Deutsche Bank Sport-Stipendium.



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