Die Skirennläuferin fuhr bei den Olympischen Spielen 1998 in Nagano im Slalom zu Gold und gewann Bronze in der Kombination. Bei Weltmeisterschaften stand die „Wilde Hilde“ viermal auf dem Treppchen (einmal Gold, dreimal Bronze) und siegte bei 20 Weltcuprennen. Nach ihrem Karriereende trat sie 2006 in den Sporthilfe Alumni-Club ein. Heute ist die dreifache Mutter, die sich sozial über die Hilde-Gerg-Stiftung engagiert, Vermieterin von Ferienwohnungen und als Personal Trainerin und Motivationsrednerin tätig.
Hilde, während Deiner aktiven Karriere warst Du als die „wilde Hilde“ bekannt. Wie viel steckt davon heute noch in Dir?
(lacht) Ein bisschen weniger als damals wahrscheinlich, zumindest wenn man es auf die Skipisten herunterbricht. Ein bisschen Leichtigkeit und jugendlicher Leichtsinn tut aber auch im Alter noch gut, drum gibt es schon manchmal noch Aktionen der „Wilden Hilde“.
Wie sehr haben Dich die Corona-Beschränkungen in den letzten Monaten betroffen?
Meine drei beruflichen Bereiche sind alle Kontaktintensiv. Vorträge kann ich aktuell gar nicht halten. Bei den Ferienwohnungen sind wir im Sommer mit entsprechend verschärften Hygienekonzepten zunächst gut gefahren, aber als der erneute Lockdown in Berchtesgaden kam, mussten wir die Gäste von einem Tag auf den anderen nach Hause schicken. Das war emotional schon sehr schwierig. Und mit meinem dritten Standbein, dem Personal Training, bin ich letztes Jahr im Herbst gestartet. Um meinen Kundenstamm nicht wieder zu verlieren, stelle ich gerade auf Online-Coaching um. Bei allem Negativen ist das auf der anderen Seite auch gut, weil man gezwungen wird, neue Wege zu gehen.
Die Pandemie wirbelt auch den internationalen Spitzensport durcheinander. Welche Erwartungen hast Du für die Wintersaison?
Die Athleten erzählen, dass auf der Piste der Trainingsalltag ganz normal ablaufe, im Tal werden sie dann separiert. Da fällt das Miteinander weg, das aber, wenn man so viel unterwegs ist, sehr wichtig ist. Das brauchen gerade junge Athleten für ihre Entwicklung, die Situation ist somit nicht förderlich. Die andere Seite ist der Weltcup. Ich befürchte, eine faire Gesamtbewertung ist kaum möglich, wenn immer wieder jemand in Quarantäne muss.
Aber wichtig ist, dass überhaupt Rennen stattfinden, dass sie im Fernsehen übertragen, dass Sponsoren präsentiert werden. Sonst ist der Skisport, gerade in Deutschland, sehr schnell nicht mehr präsent und das wäre fatal.
Befürchtest Du negative Auswirkungen für den Nachwuchs?
Im Skisport ist jeder Schneetag wichtig. Wir werden wahrscheinlich den ein oder anderen Jugendlichen verlieren, der dadurch nicht mehr so ganz motiviert ist. Was uns aber in Zukunft fehlen wird, sind die Jahrgänge 2012 bis 2014, die jetzt erstmals mit Rennen in Berührung kommen würden. Ich beobachte das auch an meinen Kindern. Sie sind zwar nicht im Skileistungssport, sondern eher im Fußball und Reitsport engagiert, aber unabhängig von den Sportarten ist es für Kinder schwierig, wenn kontinuierliches Training nicht mehr möglich ist.
Kann man Kindern heutzutage guten Gewissens zu einer Leistungssport-Karriere raten?
Ich würde meine Kinder dabei unterstützen. Neben dem Sport dürfen die Schule oder Ausbildung nicht zu kurz kommen. Aber aufgrund der Digitalisierung bieten sich heutzutage tolle Möglichkeiten. Wenn man zu meiner Zeit für drei Wochen in Chile war, konnte man von W-LAN oder Email noch nicht mal träumen, geschweige denn, dass wir online eine Prüfung abgelegt hätten. Wir haben in Deutschland für die Duale Karriere zum Glück viele gute Modelle. Gerade die Sporthilfe bietet in dem Bereich eine sehr gute Unterstützung an.
Was kannst Du Athlet:innen, die ihre Karriere beenden, wie zum Beispiel Viktoria Regensburg, für diese spezielle Zeit des Übergangs in das weitere Leben raten?
Ich würde ihnen als erstes raten, Mitglied im Sporthilfe Alumni-Club zu werden (lacht). Im Ernst, darüber bleibt man der Sporthilfe und der nachwachsenden Generation verbunden. Ein ganz wichtiger Punkt ist nach meiner Erfahrung aber, dass man sich nach der aktiven Karriere ein bisschen entschleunigen und den perfektionistischen Drang ablegen kann.
Im Alltag muss nicht immer alles zu 150 Prozent passen, damit es erfolgreich ist, da reichen auch mal 100 Prozent.
(Veröffentlicht am 08.03.2021)
Erschienen im Sporthilfe-Magazin go!d - Zur kompletten Ausgabe (4/2020)