Nicht selten scheint Athleten der Erfolg „in die Wiege gelegt“ zu sein, wenn Vater oder Mutter bereits Leistungssportler waren. Besonders beeindruckend wird es jedoch, wenn sich internationale Erfolge mehr oder weniger durch den kompletten Stammbaum ziehen. So auch bei den Eberts - Fechterin Leonie hofft auf eine Teilnahme bei den Olympischen Spielen 2021. Ihre Vorbilder finden sich in der eigenen Familie: Sowohl ihre Mutter als auch ihre beiden älteren Geschwister waren, bzw. sind im Leistungssport aktiv.
Dafür, dass Leonie Ebert einen ausgeprägten Bewegungsdrang hat, saß sie als Kind ziemlich viel im Auto ihrer Mutter Nives. Tennis, Leichtathletik, Ballett, Trampolinturnen und Basketball probierte sie aus, sang dazu im Chor und spielte Klavier – das „Mama-Taxi“ war meist mehrfach täglich im Einsatz, auch für Leonies Geschwister. Dass ihre Kinder Sport trieben, war der ehemaligen Kunstturnerin, die ihre eigene Karriere verletzungsbedingt früh beenden musste, sehr wichtig – dass alle drei Leistungssportler wurden, passierte allerdings eher zufällig. Leonie fand ihr Glück beim Florettfechten, für das irgendwann nur noch eine Strecke am Tag auf dem Programm stand: Die 70 Kilometer vom Zuhause in Würzburg bis ins Training nach Tauberbischofsheim und wieder zurück. Inzwischen ist die 20-Jährige längst selbständig unterwegs und verbringt mehr Zeit im Flugzeug als im Auto, fliegt beispielsweise zwischen einem Weltcup in Italien, dem Team-Weltcup in Russland und dem Grand-Prix in Anaheim hin und her. Die olympische Saison 2020 begann Leonie Ebert als Nummer 6 der Einzel-Weltrangliste, auch nach der Verschiebung der Spiele hat sie sehr gute Chancen auf die Qualifikation – am liebsten mit dem Florettteam.
Schon 2016 war sie Teil der Nationalmannschaft, für die damals gerade erst 16-Jährige kamen die Spiele in Rio aber noch ein bisschen zu früh.
In Tokio dabei zu sein, das war schon immer mein Anhaltspunkt“
sagt Ebert, die für ihr großes Ziel seit Jahren viele Entbehrungen in Kauf nimmt. Überraschen konnte die Linkshänderin das aber kaum. Wie der Alltag eines Athleten aussieht, erlebte sie schon als kleines Mädchen hautnah mit. Denn nicht nur Leonie hat die Sportler-Gene der Mutter geerbt: Ihre ältere Schwester Amelie, 25 Jahre alt, war bis zu ihrem Karriereende vor zweieinhalb Jahren als Synchronschwimmerin aktiv, wurde 2017 Achte bei der Weltmeisterschaft.
Bruder Constantin, 24 Jahre alt, ist Basketballprofi und durchlief die Nachwuchsnationalmannschaften des Deutschen Basketball-Bunds. Inzwischen spielt er beim Drittligisten Coburg nahe der Heimat, auch er wurde wie seine Schwestern von der Deutschen Sporthilfe gefördert. Leonie bezeichnet ihre Geschwister als „absolute Idole“, ein Konkurrenzdenken zwischen den drei habe es nie gegeben. „Entscheidend dafür war, dass wir alle sehr verschiedene Sportarten gewählt haben.
Wurde meine Schwester mit 17 Jahren Deutsche Meisterin, so wollte ich das damals mit zwölf Jahren eben auch werden.“
Leidenschaft fürs Fechten entwickelte Leonie, weil „man immer kreativ und wachsam sein muss, wie in einem Spiel ständig nach einer Lösung sucht“.
Ausgleich zum Spiel mit dem Florett findet sie in der Musik und auch in ihrer Dualen Karriere. Von zu Hause aus studiert die Sportsoldatin und Absolventin eines musischen Gymnasiums Internationales Management, hat vor Tokio aber ein Urlaubssemester eingelegt. Auch das zeigt: Wenn Leonie Ebert etwas macht, dann zu 100 Prozent. Vielleicht ist das auch der Grund, warum sie sich als Kind einst gegen die Leichtathletik entschied, obwohl sie als starke Sprinterin galt: Die zehn Aufwärmrunden vor dem Training waren ihr zuwider. Das Fechten hingegen macht ihr so viel Spaß, dass sie völlig freiwillig die ein oder andere Extrarunde dreht – eben ganz oder gar nicht.
(Veröffentlicht am 14.05.2020)