Als Skispringer feierte Jörg Ritzerfeld Erfolge mit Sven Hannawald und Martin Schmitt, nach dem Ende seiner Sportlerlaufbahn stieg er bei Bauerfeind ein und verantwortet dort heute das Marketing von Bauerfeind Sports. Im Interview spricht der 38-Jährige, Mitglied des Sporthilfe Alumni-Clubs, über seine Karriere und den langen Weg bei einem Comeback.
Jörg, begonnen hast Du mit dem Rodelsport, dann ging es zur Nordischen Kombination und schließlich zum Skispringen – ein normaler Werdegang für einen sportlichen Jungen aus dem Thüringer Wald?
Das kann man so sagen (lacht). Wer im Thüringer Wald geboren wird, der wird nicht Fußballer oder Handballer, sondern sucht sein Glück in einem der vielen Wintersportvereine. Das finde ich auch schön so. Nach der breiteren Ausbildung in der Kombination habe ich mich ab der fünften Klasse dem Spezialspringen verschrieben. Rodeln erschien mir als Kind gefährlicher zu sein als Skispringen.
Dein Weltcup-Debüt hast Du bei der Vierschanzentournee 2000/01 gefeiert, in Oberstdorf ist Dir direkt nach dem Absprung die Bindung gebrochen und Du bist gestürzt, in Garmisch-Partenkirchen wurdest Du sensationell Vierter in der Qualifikation und im Wettkampf dann „nur“ 44. Welche Erinnerungen hast Du an diese Tage?
Ich war unglaublich aufgeregt. Das ist ohnehin eine Erkenntnis, die man nach dem Karriereende hat: Den Kopf der letzten Jahre als Athlet kombiniert mit der Physis eines 18-Jährigen – das wäre es gewesen. Aber es war eine tolle Zeit, das erste Mal vor Tausenden Fans zu springen, vor Millionen Fernsehzuschauern und im Team mit Sven Hannawald und Martin Schmitt, die irgendwo zwischen Mannschaftskameraden und eigenen Vorbildern lagen.
Du warst insgesamt sieben Mal bei der Vierschanzentournee, viermal bei Weltmeisterschaften, standest im Weltcup mit der Mannschaft auf dem Podest – bist Du im Rückblick zufrieden, wie Deine Karriere gelaufen ist?
Was mein persönliches Leistungsgefüge angeht, habe ich schon alles rausgeholt. Ich war nicht das Übertalent, das Seriensiege im Weltcup draufhatte – da kann ich mich gut einschätzen. Auch wenn mich vielleicht etwas der Makel begleitet, nie eine Medaille bei einem Großereignis gewonnen zu haben, bin ich sehr dankbar für meine Karriere. Aber klar wäre ich gerne einmal bei Olympia an den Start gegangen und hätte auch gerne, zumindest mit dem Team, eine WM-Medaille geholt.
Den Traum von der Olympia-Teilnahme 2006 in Turin musstest Du verletzungsbedingt begraben.
Wegen eines Kreuzbandrisses, genau, das passierte im Dezember 2005. Ich hatte die Olympia-Qualifikation zwar in der Tasche, aber auch damit habe ich meinen Frieden gemacht. Es hat mir gezeigt:
Man kann aus Verletzungen viel lernen und gestärkt zurückkommen.
Was passiert in einem Athleten, der sich so schwer verletzt?
Man fällt in ein Loch, das wird einem jeder Sportler bestätigen. Am Anfang glaubt man, nie wieder laufen zu können und die Perspektive, ein halbes Jahr pausieren zu müssen, zieht einen runter. Ich habe mich aber relativ schnell berappelt. Man findet auch Trost bei anderen verletzten Sportlern. Mit Maria Höfl-Riesch habe ich beispielsweise damals in der Reha die Olympischen Spiele geschaut. Und ich habe zu der Zeit mein Studium begonnen. Mir hat es geholfen, den Blick weg vom Sport zu lenken und ein zweites Standbein aufzubauen.
Verletzungen gehören beim Sport leider dazu. Worauf kommt es beim Weg zurück an?
An oberster Stelle steht, dass sich ein Sportler im Falle einer Verletzung nicht allein gelassen fühlt. Ob das jetzt andere Athleten sind, Ärzte, aber auch Verbände, Trainer bis hin zur Sporthilfe. Den Kaderstatus erhalten, nicht aus der Sporthilfe-Förderung zu fallen – das sind kleine Dinge, die helfen.
Die Angst des Vergessenwerdens haben viele verletzte Sportler.
Du hast nach Deiner sportlichen Karriere und dem Studienabschluss den Einstieg in den Beruf geschafft, bist mittlerweile Marketingleiter bei Bauerfeind Sports. Was reizt Dich daran?
Für mich stand von vornherein fest, ich möchte irgendwann raus aus der Sportblase und nicht nach der Karriere Trainer werden. Im Marketingbereich zu arbeiten, aber trotzdem mit Sportbezug, das hat mich gereizt und tut es noch immer. Ich habe 2011 bei Bauerfeind mein Pflichtpraktikum gemacht und bin dankbar, dass mir der Sport ein Stück weit geholfen hat, den Berufseinstieg zu schaffen.
In der Zeit, in der Du jetzt bei Bauerfeind bist: Hast Du den Eindruck, dass das Thema Prävention und Rehabilitation den Athlet:innen im Laufe der Jahre wichtiger geworden ist?
In den zehn Jahren hat sich alles weiter professionalisiert. Nicht nur die Sportler, sondern auch die Förderung und Unterstützung der Athleten, gerade bei der Dualen Karriere und auch im medizinischen Know-how. Ich nehme auch viel mehr Eigeninitiative und Selbstbestimmtheit bei Athleten wahr. Man kann glaube ich sagen, Sportler sind heute schneller wieder fit als zu meiner Zeit, auch weil sie sich schon präventiv mehr Gedanken machen, etwa um ihr Equipment. Bei dieser Entwicklung will Bauerfeind sie unterstützen.
Bauerfeind ist Service-Partner der Sporthilfe. Was macht diese Kooperation aus?
Die Kooperation mit der Sporthilfe trifft zu 100 Prozent die Bauerfeind-DNA. Bauerfeind hat vor 40 Jahren Bandagen entwickelt, die für den Sport gedacht und von einem Olympia-Arzt gemacht waren. Die mittlerweile langjährige Partnerschaft mit der Sporthilfe verschafft uns die Möglichkeit, Athleten 365 Tage im Jahr mit medizinischen Hilfsmitteln und Sportprodukten zur Seite zu stehen und da zu sein, wenn der Sportler uns braucht – präventiv und nach Verletzungen. Darauf sind wir sehr stolz.
(Veröffentlicht am 03.05.2021)