50 Jahre Sporthilfe: Ein Grund uneingeschränkt stolz zu sein?
Michael Ilgner: Die Athleten, die in 50 Jahre Sporthilfe ihr Talent entfaltet haben und Großartiges erreichen konnten, haben allen Grund stolz zu sein. Die Stiftung ist ein Wegbegleiter, Förderer und Unterstützer dieser Athleten. Diese Rollenverteilung ist wichtig: Viele Athleten könnten wahrscheinlich nicht ohne die Sporthilfe, aber die Sporthilfe kann erst recht nicht ohne sie. Unser Motto lautet „50 Jahre Zukunft": Wir wollen keine großen Rückblicke und Ehrentafeln erstellen, sondern wir wollen Zukunftsförderung betreiben, wie es unsere Aufgabe ist, und den Athlet als Mensch in den Mittelpunkt stellen.
Ist der Begriff Sozialwerk des deutschen Sports zeitgemäß?
Michael Ilgner: Nein. Denn er wird weder der Zeit noch der Art und Weise wie wir fördern und auch den Ansprüchen der Athleten nicht mehr gerecht. Sie sollen nicht in einem Sozialwerk aufgefangen werden, sondern sie geben ihren Wagemut und ihre Leistung, um andere mitzureißen. Sie können ein Risiko eingehen, ohne gravierende Nachteile für die Zukunft zu haben. Das heißt, dass sie schon während ihrer Karriere mit Förderung der Sporthilfe die Perspektive auf die Zeit danach legen müssen. Das ist eine ganz andere Definition, als über ein Sozialwerk zu sprechen.
Der Name Josef Neckermann ist ein Synonym für die Stiftung Deutsche Sporthilfe. Der Gründer war 20 Jahre lang bis 1988 ihr Vorsitzender. Welcher Dank gebührt ihm. Was hat sich verändert?
Michael Ilgner: Ohne Josef Neckermann würde es die Sporthilfe nicht geben. Er hat die Stiftung geprägt wie kein Zweiter. Neckermann und Sporthilfe waren sozusagen eins. Gleichzeitig ist es so, dass nach der Ära Neckermann die Stiftung nicht mehr mit einem einzigen Namen in Verbindung gesetzt und die Idee in den Vordergrund gestellt wird. Seit 2006 haben wir das konsequent getan, in dem wir unsere Werte „Leistung, Fair Play, Miteinander" in den Vordergrund gerückt haben. Daran wurde unsere Arbeit ausgerichtet und die Förderung auf ein anderes Niveau gestellt. Es war ein wichtiger Schritt, klarzustellen, für welche Philosophie die Sporthilfe steht.
Die Glücksspirale und der Sportbriefmarkenverkauf waren einst die Hauptquellen der Sporthilfe. Woher kommt heute das Geld?
Michael Ilgner: In besten Zeiten haben wir aus Glückspirale und Briefmarken bis zu zehn Millionen Euro generiert. Heute generieren wir aus der Wirtschaft und dem Fundraising mehr als zehn Millionen Euro. Vor zehn Jahren waren wir da erst noch bei einer guten Million. Aus Glückspirale und Briefmarken erhalten wir rund vier Millionen Euro pro Jahr. Aktuell bauen wir die Förderung wieder aus. Wir haben einige Jahre bei einer Fördersumme von rund zehn Millionen Euro stagniert. In diesem Jahr planen wir mit 14,5 Millionen Euro. Das ist die höchste Fördersumme in unserer Geschichte.
In den vergangenen Jahrzehnten hat die Deutsche Sporthilfe über 400 Millionen Euro für die Athleten-Förderung aufgewendet. Die Fördersumme lag jährlich zwischen 10 und knapp 14,0 Millionen Euro. Damit wurden zuletzt rund 3800 Athleten gefördert. Reicht das?
Michael Ilgner: Nein, es reicht nicht aus. Als ich angefangen habe 2006, lag der Förderbetrag pro Athlet bei 300 bis 400 Euro. Unser mittelfristiges strategisches Ziel ist, die Förderung auf 800 bis 1000 Euro pro Monat zu erhöhen. Wir wollen einzelne Athleten nicht zu Großverdienern machen. Und unser Ziel ist auch nicht, für noch mehr Athleten einen Betrag von 300 bis 400 Euro zu leisten. Vielmehr ist der erste Schritt, die 600 bis 800 Topathleten in Deutschland in die Lage zu versetzen, mit 800 bis 1000 Euro Fördergeld im Monat zu leben und sich nicht um ihr Einkommen sorgen zu müssen.
Wie viel mehr Geld als die 14,5 Millionen Euro braucht die Sporthilfe, um das zu erreichen?
Michael Ilgner: Wir wollen unsere Fördersumme mittelfristig auf 20 Millionen Euro erhöhen. Da sind wir auf einen guten Weg.
Haben die Ablehnung von Olympia-Bewerbungen durch die Bevölkerung in München, Hamburg oder anderswo sowie die Affären und Skandale im Weltsport das Geld einsammeln schwerer gemacht?
Michael Ilgner: Für viele Athleten sind die Olympischen Spiele das höchste sportliche Ziel. Deshalb muss es dem IOC unbedingt gelingen, das Blatt so zu wenden, dass die Akzeptanz der Spiele gerade in unseren Gesellschaftsformen uneingeschränkt vorhanden ist. Die Akzeptanz hat, mit vielen Folgen, garantiert Schaden genommen.
Wenn der Bund der Sporthilfe pro Jahr zehn Millionen Euro zur Förderung der Athleten anböte, würden Sie es ablehnen?
Michael Ilgner: Ich würde es mit Sicherheit nicht ablehnen, weil wir es Eins zu Eins an die Athleten weiterleiten könnten und dafür nicht Extra-Strukturen schaffen müssten. Die Zahlungen an die Athleten pro Monat könnten direkt erhöht werden.
Wie verändert die Leistungssportreform das Fördersystem der Sporthilfe?
Michael Ilgner: Die Sporthilfe mit ihrem Förderkonzept ist nicht Eins zu Eins auf die Leistungssportreform zu übertragen. Wir haben unsere eigene Reform in Abstimmung mit der Leistungssportreform entwickelt und sind mit den Sommersportverbänden schon seit Jahresbeginn in der Umsetzung. Wir haben uns mit unseren Förderbausteinen noch stärker fokussiert und konzentriert. Das kommt aber nicht aus heiterem Himmel: So wurde die Förderdauer im C- und B-Kader schon vor einigen Jahren auf sieben Jahre begrenzt, wenn der jeweilige Athlet dann nicht den Sprung an die Weltspitze schafft. All dies geht aber damit einher, mehr Gelder zu generieren, um auf Grundlage effizienterer Strukturen in Summe erfolgreicher fördern zu können.
Wenn es um die Sporthilfe-Prämien für Olympia-Medaillen geht, gibt es immer den Vergleich mit den großen Beträgen anderer Länder. Warum zahlt die Sporthilfe 20 000 statt 200 000 Euro Gold-Prämie?
Michael Ilgner: Angenommen, wir hätten unendlich viele Mittel, dann wäre das ein charmanter Gedanke. Wir müssen uns aber mit der Frage beschäftigen, wie wir ein beschränktes Budget am besten so verteilen, dass Talente Olympiasieger werden. Wir haben immer wieder diskutiert, ob wir eine Olympia-Prämie überhaupt noch brauchen, da wir ja in allererster Linie den Weg an die Spitze begleiten und nicht nur eine Belohnung bei der Ankunft wollen. Es ist eine Diskussion, die wieder kommen wird und die auch sinnvoll ist. 20.000 Euro sind für einen Athleten viel Geld. Mit 200.000 Euro hat man aber auch für sein ganzes Leben nicht ausgesorgt.
Wie stark würde der Sporthilfe eine Olympia-Bewerbung helfen, den Fördertopf noch üppiger zu füllen?
Michael Ilgner: Ein Projekt wie eine Olympia-Bewerbung setzt immer Kräfte frei in der Gesellschaft. Es würde dem Sport helfen. Gleichwohl wäre eine unreflektierte Weiter-so-Bewerbung auch mit Risiken behaftet. Insofern denke ich, dass der Reformweg und die Frage, welche Art von Leistungssport wir in Deutschland wollen, in so eine Frage eingebunden werden muss.
(Quelle: Deutsche Presse-Agentur (DPA)