Carina Bär gewann im September 2015 bei den Weltmeisterschaften die Silbermedaille im Doppelvierer, im gleichen Jahr siegte sie bei den Europameisterschaften in dieser Bootsklasse. Bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro zählt die für die „Heilbronner Rudergesellschaft Schwaben“ startende Athletin gemeinsam mit ihren Teamkolleginnen im Doppelvierer zu den Medaillenkandidaten. Die 26-Jährige studiert Humanmedizin an der Ruhr-Universität in Bochum. Im Sommersemester 2015 hat sie den theoretischen Teil ihres Studiums in Regelstudienzeit erfolgreich abgeschlossen.
Aktuell bereitet Ihr Euch in einem dreiwöchigen Trainingslager in Kärnten auf die Olympischen Spiele vor. Wie sieht der Feinschliff für Rio aus?
Für einen guten Vierer macht das Zusammenspiel sehr viel aus, der Rhythmus ist mit das entscheidendste. Daran arbeiten wir aktuell sehr intensiv. Wenn es läuft, nehmen wir im Boot es als Flow wahr, dann hat man das Gefühl, das Boot schwebt regelrecht über das Wasser. Als Zuschauer erkennt man es daran, dass es leicht aussieht. Ich kann aber allen versichern: Spaß macht es allenfalls am Anfang, das letzte Drittel ist extrem anstrengend, da schmerzt jeder einzelne Muskel.
Ihr habt vor wenigen Tagen das Weltcupfinale in Polen gewonnen und seid einer der großen Medaillenfavoriten für Rio. Ist eine Medaille planbar?
Wir können hart daran arbeiten, bei den Spielen unsere stärkste Leistung zu bringen, aber wie stark die anderen sind, das können wir nicht beeinflussen. Planen kann man deshalb eine Medaille nicht. Wir haben die letzten drei Jahre versucht, das Beste rauszuholen. Im zurückliegenden Winter war die interne Qualifikation sehr hart. Bis April hat einen das stark beschäftigt, eigentlich denkt man den kompletten Winter daran. Aber letzten Endes macht uns der Leistungsdruck als Team stärker.
Hattest Du deshalb vor den Olympischen Spielen zwei Urlaubssemester eingelegt, um Dich voll auf den Sport konzentrieren zu können?
Im Juli letzten Jahres habe ich den theoretischen Teil erfolgreich abgeschlossen. Darauf folgt bei uns Medizinern das „Praktische Jahr“, sprich jeden Tag von 8 Uhr morgens mindestens acht Stunden Arbeit im Krankenhaus am Patienten. Da ist es unmöglich, auch noch täglich zwei bis drei Trainingseinheiten einzuschieben – die ja dann auch noch effizient sein sollen. Deshalb habe ich das „PJ“ auf die Zeit nach den Olympischen Spielen verschoben. Lehrbücher nehme ich trotzdem ab und zu zur Hand, auch mache ich mir Gedanken zu einem möglichen Promotionsthema. Aber es ist schon komisch, sich die letzten Monate nur auf den Sport konzentrieren zu können. Anfänglich hat mich das unruhig gemacht, weil ich gewohnt war, immer etwas zu tun zu haben. Und was macht man dann? Jeden Tag Mittagsschlaf – was gut für die Regeneration ist –, Großputz, Fotoalben erstellen, ich habe angefangen, mein Französisch aufzufrischen und Spanisch zu lernen. Ablenkung ist unerlässlich, denn wenn man alle Konzentration auf das Training legt, ist es eine große Herausforderung, dabei locker zu bleiben.
Wie hat sich denn zuvor der Leistungssport mit dem Medizinstudium vereinbaren lassen?
Eigentlich lief es sehr gut. Unsere Uni hat einen Vertrag mit dem Olympiastützpunkt, so dass ich hier entsprechend unterstützt werde. Das heißt nicht, dass mir etwas geschenkt wird, das will ich ja auch gar nicht. Aber es werden mir keine Steine in den Weg gelegt, weil ich größere Fehlzeiten aufgrund von Trainingslagern oder Wettkämpfen habe. Aber man muss sich selbst darum kümmern, frühzeitig klären, wenn sich Klausurtermine mit Wettkämpfen überschneiden und eventuell Ersatzleistungen wie zum Beispiel mündliche anstelle schriftlicher Prüfungen erbringen – wobei ich das immer versucht habe zu vermeiden, weil ich das deutlich schwieriger finde.
Wie sehen die Trainer die Doppelbelastung?
Es kann nur funktionieren, wenn auch der Trainer dahinter steht. Nachdem ich im ersten Jahr bewiesen hatte, dass die sportliche Leistung darunter nicht leidet, war es für meinen Trainer Thomas Affeldt in Ordnung. Ich habe mich mit ihm immer zusammengesetzt, sobald die Semesterpläne feststanden. Gemeinsam haben wir dann geschaut, wie sich Studiums- und Trainingspläne vereinbaren lassen. Das hieß dann morgens gegen 7 Uhr die erste Trainingseinheit, anschließend Fahrt von Dortmund nach Bochum, dort mindestens zwei bis drei Stunden Uni oder Klinik, anschließend zurück zum Stützpunkttraining, dann Stabilisation, nach Hause, essen, lernen. Um Sport und Studium leisten zu können, brauche ich einen Plan. Das geht nur mit sehr viel Disziplin. Aber so habe ich es geschafft, mein Studium bis auf zwei Urlaubssemester vor den Olympischen Spielen 2012 in Regelstudienzeit zu absolvieren.
Was bedeutet es für Dich, für die Wahl zum Sport-Stipendiat des Jahres nominiert zu sein?Ich empfinde es als eine herausragende Anerkennung für das, was man tagtäglich leistet. Wer am Ende den Preis gewinnt, steht stellvertretend für all die Spitzenathleten, die es schaffen, beides gut unter einen Hut zu bringen. Es ist und bleibt eine Herausforderung, nicht zuletzt, weil kaum Freizeit vorhanden ist, die Familie darunter leidet. Deshalb bin ich sehr dankbar für die Unterstützung. Noch nebenher arbeiten zu müssen, wäre unmöglich, dann könnte ich den Leistungssport gleich bleiben lassen. Ohne die ElitePlus-Förderung, das Deutsch Bank Sport-Stipendium und meine lokalen Sponsoren hätte ich ein großes Problem.
Sportart: Rudern/Doppelvierer
Wohnort: Bad Rappenau/Dortmund
Verein: Heilbronner Rudergesellschaft Schwaben
Studium: Humanmedizin
Universität: Ruhr-Universität Bochum
Die Deutsche Bank unterstützt im Rahmen der Sporthilfe-Förderung studierende Spitzenathleten mit 400 Euro im Monat. Aktuell profitieren rund 400 Sporthilfe-geförderte Athleten vom Programm, das mit dem dritten Semester einsetzt und mit einem Zeitbonus über die Regelstudienzeit hinaus gewährt wird. Die besonderen Leistungen der studierenden Athleten sollen mit der Wahl zum Sport-Stipendiat des Jahres zusätzlich herausgestellt und gewürdigt werden. Der Preisträger erhält für 1,5 Jahre von der Deutschen Bank den doppelten Stipendiumsbetrag von 800 Euro pro Monat. Die weiteren vier Finalisten erhalten für den gleichen Zeitraum eine Zusatzförderung in Höhe von 200 Euro pro Monat.
Diese Sporthilfe-Athleten stehen zur Wahl: Carina Bär (Rudern/Humanmedizin), Anna-Lena Forster (Ski alpin, paralympisch/Psychologie), Maximilian Hartung (Fechten/Soziologie, Politik und Wirtschaft), Lisa Mayer (Leichtathletik/Germanistik und Geographie), Maximilian Reinelt (Rudern/Humanmedizin). Bis zum 24. Juli kann jeder unter www.sportstipendiat.de den Nachfolger von Sophia Saller, Triathletin und Mathematik-Studentin in Oxford, wählen. Unter allen Teilnehmern des Online-Votings wird eine Deutsche Bank SparCard mit einem Guthaben von 500 Euro verlost. Die feierliche Preisverleihung findet am 22. September 2016 in der Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt am Main statt.