Das große Ziel von Karate-Kämpferin Jana Bitsch ist zum Greifen nahe: Erstmals ist ihre Sportart 2020 in Tokio Teil des olympischen Programms. Um den Kopf für die schwierige Olympia-Qualifikation freizuhaben, will die WM-Zweite von 2018 vorher noch ihr Master-Studium in Sportmanagement erfolgreich abschließen. Nun steht sie zur Wahl zum "Sport-Stipendiat des Jahres 2019".
Jana, bei den European Games Ende Juni in Minsk konntest Du erstmals Luft bei einem Multi-Sport-Event schnuppern – und gewannst Bronze. Mit welchen Eindrücken kamst Du zurück?
Für mich war es eine wahnsinnig coole und mit der Medaille natürlich auch erfolgreiche Veranstaltung. Eine vergleichbare Atmosphäre habe ich bislang nur 2017 bei den World Games erlebt – dort sind zwar mehr Nationen vertreten, aber eben „nur“ Athleten aus nicht-olympischen Sportarten. In Minsk sind mir auf dem Flur echte Olympiasieger begegnet, das erlebe ich als Karateka auch nicht alle Tage. Alles in allem war das sehr motivierend!
Dein Ziel lautet nun Tokio 2020, wo Karate erstmals olympisch sein wird – zumindest temporär. Was bedeutete Dir das?
Der Aufnahme ging ja ein langer Prozess voraus. Schon vor London 2012 standen die Chancen zum Beispiel nicht schlecht, damals hat es aber leider nicht geklappt. Als die Aufnahme für 2020 endlich vom Weltverband offiziell bestätigt wurde, war das ein unglaublicher Moment. An Olympischen Spielen teilzunehmen, danach strebt jeder Sportler, etwas Größeres gibt es nicht. Ich bin mit dem Ziel aufgewachsen, Weltmeisterin zu werden, weil Olympia ja lange nicht zur Debatte stand. Jetzt will ich unbedingt in Tokio dabei sein.
Dafür qualifizieren sich zehn Athletinnen, wovon eine aus Japan kommt und eine Wild Card an schwächere Verbände als den europäischen geht. Ist es schwerer, sich zu qualifizieren, als eine Medaille zu holen?
Das kann man so sagen. Natürlich sind bei den Olympischen Spielen die Top 8 der Welt dabei, aber bei den Qualifikationsturnieren kämpfe ich in der Regel mit 200 Mädels um Ranglistenpunkte. Um sicher dabei zu sein, muss ich zum Stichtag im April unter den besten zwei der Weltrangliste sein, aktuell bin ich Vierte. Gut zu wissen ist aber, dass es als Hintertür noch ein Quali-Turnier kurz vor Tokio gibt. Dort werden noch einmal drei Plätze vergeben.
Du hast auf dem linken Auge nur eine Sehkraft von zehn Prozent. Behindert Dich das beim Sport?
Richtig, ich bin auf dem linken Auge fast blind. Aber ich kenne es von klein auf nicht anders und habe damit keine Probleme. Manchmal mache ich dadurch auch besondere, unbewusste Bewegungen. Ich würde aber gerne einmal wissen, wie es mit voller Sehkraft wäre – vermutlich würde ich dann gar nichts mehr auf die Kette kriegen. (lacht)
Dein Vater ist Karate-Bundestrainer, Deine Mutter Landestrainerin, Bruder Noah und Schwester Mia sind ebenfalls Karateka. Hattest Du jemals eine andere Wahl?
Mit zweieinhalb Jahren stand ich bereits auf der Matte, schon verrückt. Meinem Vater war es wichtig, dass wir Sport treiben – aber welcher, war eigentlich zweitrangig. Zuhause beim Abendbrot gab es übrigens klare Regeln: Nach Turnieren durfte maximal eine Stunde über Karate geredet werden, danach war Schluss. (lacht)
Nun wohnst Du schon seit acht Jahren in Köln, trainierst aber im 80 Kilometer entfernten Duisburg. Trotzdem hast Du den Bachelor in Regelstudienzeit abgeschlossen und stehst nun kurz vor der Masterarbeit. Wie hast Du diesen Spagat gemeistert?
Man muss wirklich gut planen und jede freie Minute nutzen. Zum Beispiel habe ich mir früher alle Lerninhalte selbst eingesprochen, anfangs auf gebrannte CDs und später dann aufs Handy. Das war für mich die ideale Möglichkeit, die langen Fahrten zum Training zu nutzen.
Hast Du bereits eine Idee, wie es nach dem Sportmanagement-Studium weitergehen soll?
Die Masterarbeit möchte ich gerne noch in diesem Jahr abschließen – und mich danach erst einmal zu einhundert Prozent auf die restliche Olympia-Qualifikation konzentrieren. Danach könnte ich mir zum Beispiel vorstellen, im Sport-Sponsoring zu arbeiten. Damit bliebe ich dem Sport noch ein bisschen verbunden – das ist mir wichtig, weil ich die regelmäßigen Adrenalinschübe nach der Karriere sicher vermissen würde.
Nun bist Du amtierende WM-Zweite im Einzel und EM-Dritte im Team. Wo würdest Du die Auszeichnung als Sport-Stipendiat des Jahres einordnen?
Alleine schon unter den Finalisten zu sein, ist für mich und für die gesamte Sportart eine große Ehre und etwas ganz Besonderes. Sonst stehen wir Karate-Kämpfer ja nur selten im Fokus, auch finanzielle Förderung gibt es bei uns noch nicht so lange. Früher war ich häufig im Minus, dank der großartigen Unterstützung meiner Familie sowie der Sporthilfe und des Deutsche Bank Sport-Stipendiums kann ich seither sorgenfrei leben.
Geburtstag | 1. Dezember 1990 in Siegburg |
Sportart | Karate (Kumite) |
Wohnort | Köln |
Verein | Bushidod Waltershausen |
Größte Erfolge | WM-Zweite 2018; WM-Dritte 2014; EM-Dritte im Team 2019 |
Studium | MBA Sportmanagement |
Universität | HS Schmalkalden |