Emily ist Kapitänin der deutschen Handballnationalmannschaft, mit der sie 2021 WM-Siebte wurde. Seit 2020 spielt sie beim ungarischen Spitzenteam Ferencváros Budapest, mit dem sie in der vergangenen Saison den Meistertitel gewann und anschließend von den ungarischen Fans als beste Spielerin der Saison ausgezeichnet wurde. Die 24-Jährige studiert im sechsten Semester im Bachelor BWL & Wirtschaftspsychologie im Fernstudium an der Euro FH Hamburg. Diesen Sommer absolviert sie ein verpflichtendes internationales Auslandsseminar in Madrid. Jetzt steht Emily zur Wahl bei der Auszeichnung "Sport-Stipendiat:in des Jahres" von Deutscher Sporthilfe und Deutscher Bank.
Emily, Du bist mitten im ersten Pandemie-Sommer vom Thüringer HC nach Budapest zum dortigen Spitzenteam gewechselt. Wie hast Du die Anfangszeit in Ungarn erlebt?
Das war eine sehr aufregende Zeit. Kurz nachdem ich Anfang 2020 bei Ferencváros unterschrieben hatte, brach die Pandemie aus. Da war lange unklar, ob ich überhaupt nach Ungarn einreisen kann oder ob meine Möbel mitkommen. Jede Woche hatte ich, typisch deutsch, 20 neue Fragen an den Verein, darüber amüsieren sie sich noch heute. (lacht) Aber es hat zum Glück alles mehr oder weniger gut geklappt und ich habe mich schnell eingelebt - auch wenn Corona ab Saisonstart schnell wieder die Hauptrolle gespielt und zu großen Einschränkungen geführt hat.
Was war die größte Herausforderung nach Deinem Wechsel?
Die ungarische Sprache ist sehr anspruchsvoll. Jetzt nach knapp zwei Jahren beherrsche ich die Basics und die Handball-Begriffe, auch Interviews versuche ich auf Ungarisch zu führen. Nach wie vor verstehe ich aber längst nicht alles. Vor einer wichtigen Entscheidung wie einem Vereinswechsel mache ich mir stets eine Pro- und Contra- Liste. Die Sprache war dabei das ärgste Hindernis, das ich mir ausgemalt hatte. Die größte Herausforderung war aber vermutlich Covid. Dass lange nur der Weg von der Halle nach Hause möglich war, man niemanden treffen konnte, die Familie und Freunde weit weg wohnen, war hart. Dabei lernt man sich selbst ganz neu kennen.
Ich habe gemerkt, wie wichtig diese Dinge als Energiequelle für mich sind.
Dennoch hast Du Dich perfekt eingelebt, bist im ersten Jahr ungarische Meisterin geworden, wurdest in Budapest zur besten FTC-Spielerin der Saison und in Deutschland zum Publikumsliebling 2021 gewählt. Außerdem führst Du die Nationalmannschaft als Kapitänin an und die 2021/22 hast Du mit dem Gewinn des ungarischen Pokals beendet.
Ja, ich bin recht zufrieden. (lacht) Die ersten zwei Saisons im Ausland direkt mit zwei Titeln zu beenden, ist einfach unglaublich.
Die Auszeichnungen sind zudem eine tolle Wertschätzung für mich persönlich und meine Leistungen.
Bei der Nationalmannschaft hoffe ich, dass wir unseren Weg weitergehen und die positive Entwicklung auch nach dem Trainerwechsel fortsetzen.
Nebenbei studierst Du an der Euro FH im Fernstudium den Bachelor BWL & Wirtschaftspsychologie. Wie integrierst Du das Studium in Deinen Alltag?
An meiner Hochschule gibt es keine Semester, so dass ich monatlich Klausuren ablegen kann, wenn es terminlich passt. Das kommt mir natürlich sehr entgegen, denn in den wenigen Ruhephasen ist es auch wichtig, dass Körper und Kopf Erholung bekommen. Ich versuche, das Lernen wann immer es geht in meinen Tagesplan einzubauen. An einem normalen Tag habe ich bis 16 Uhr Training, bin dann noch bei der Massage und gegen 17 Uhr zu Hause.
Wenn nichts mehr ansteht, gehört der Abend meistens dem Studium.
Wie ist das in Deinen Teams, im Verein und in der Nationalmannschaft – studieren dort viele oder bist Du so etwas wie eine Exotin?
In Deutschland ist es normal, dass wir als Handballerinnen ein großes Augenmerk auf die außersportliche Laufbahn legen. Vielleicht ist das auch mit ein Grund dafür, dass wir noch nicht so erfolgreich sind wie andere Länder. In Ungarn sind die Erstliga-Spielerinnen allesamt Profis. Das ist eine Luxussituation, die zeigt, dass ein anderer Geldfluss dahinter steckt. In meinem Team studieren dennoch manche, aber das passiert aus Eigeninitiative.
Dabei bekommst du seit sieben Jahren Unterstützung von der Deutschen Sporthilfe und auch das Deutsche Bank Sport-Stipendium. Was bedeutet Dir das?
Durch die Sporthilfe-Förderung bekommen junge Talente überhaupt erst die Möglichkeit, den Weg Richtung Leistungssport einzuschlagen – ohne Angst um das eigene Auskommen zu haben. Das ist enorm wichtig. Gleiches gilt für das Deutsche Bank Sport-Stipendium, für mein Studium muss ich eine monatliche Rate an die Hochschule zahlen. Dass es über die Sporthilfe auch die Möglichkeit gibt, Unterstützung bei der beruflichen Perspektive zu bekommen, ist daher eine große Erleichterung und ein starkes Zeichen für den Nachwuchs.
Du kommst aus einer echten Handballfamilie, schon Deine Mutter Andrea war Nationalspielerin und hat mit Deutschland 1993 WM-Gold gewonnen, Dein Vater spielte in der Jugend- und Juniorennationalmannschaft und in der Bundesliga. Dreht sich zuhause alles um Handball?
Tatsächlich hat auch meine Schwester mal gespielt. Zu DDR-Zeiten war meine Oma ebenfalls Handball-Nationalspielerin und mein Opa Juniorennationalspieler im Fußball. Der Sport ist daher natürlich oft ein Thema. Ich fand es immer cool, dass meine Familie „vom Fach“ ist, weil sie nachvollziehen können, was mich umtreibt und auch, wenn ich einmal keine Lust habe, über Handball zu sprechen. Mit Oma und Opa väterlicherseits ist es das exakte Gegenteil: Da ist die wichtigste Frage, ob Essen und Hotel gut sind, das finde ich ganz süß. (lacht)
(Veröffentlicht am 27.06.2022)
Geburtstag: 26. April 1998 in Buxtehude |
Sportart: Handball |
Wohnort: Budapest |
Verein: Ferencváros Budapest |
Größte Erfolge: Ungarische Pokalsiegerin 2022, Ungarische Meisterin 2021, 7. Platz WM 2021, Deutschlands Handballerin des Jahres 2018 und 2019 |
Studium: BWL & Wirtschaftspsychologie |
Universität: Euro FH Hamburg |